Beim nachhaltigen Investment erweitern Anleger den klassischen Kanon der Anlagekriterien (Rendite, Risiko und Liquidität) um ökologische, soziale und ethische Werte. Sie bevorzugen bei der Geldanlage Aktien und Anleihen von Unternehmen und Staaten, die Dividenden und Zinsen erwirtschaften, aber dabei diese Kriterien beachten. Analysen zeigen, dass sie dafür nicht auf Rendite verzichten müssen.
Die Ampeln stehen auf Grün beim Investment. Spätestens seit im Juni 2015 der G-7-Gipfel in Elmau den als Dekarbonisierung bezeichneten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschlossen hat und mit dem Gipfel von Paris im Dezember 2015 Klimaziele festgelegt wurden, hat bei der Geldanlage ein breiteres Umdenken eingesetzt.
Waren es vorher überzeugte umweltbewusste und wertorientierte private Anleger und einige institutionelle wie Stiftungen und kirchliche Einrichtungen, sind es jetzt immer mehr internationale Organisationen, Zentralbanker, führende Politiker.
Nachhaltiges Investieren ist ein Gebot der ökonomischen Vernunft, dem auch kühle Rechner folgen. „Das ist kein Nischenthema mehr, sondern im Mainstream angekommen“, sagt Andreas Bauer, Experte für Nachhaltigkeitsmanagement bei der HypoVereinsbank (HVB). „Die meisten Kunden, die sich über nachhaltige Investments informieren, sind überrascht, wie leicht sozial verantwortliche Geldanlagen umsetzbar sind.“
Schließlich steht inzwischen eine breite Palette grüner und sozialer Anlagealternativen zur Verfügung, die verschiedene Kriterien erfüllen. Bauer: „Entscheidend für die Auswahl des Investments sind die individuellen Ziele und Werte des Anlegers und die Auswirkungen durch den Kapitaleinsatz auf Menschen und Umwelt.“
Das Vermögen, das unter Nutzung von nachhaltigen Anlagestrategien verwaltet wird, steigt seit Jahren. Das ist ein wichtiges Indiz dafür, dass die Vorteile nachhaltiger Kapitalanlagen von den Anlegern zunehmend erkannt werden.
Die Wurzeln des nachhaltigen Investments liegen im 18. Jahrhundert, den ersten nachhaltigen Investmentfonds legte Pioneer Investments in den 1920er-Jahren auf. Bei diesem Fonds wurden sogenannte Sin Stocks (Sündenaktien) vom Investment ausgeschlossen, also Unternehmen, die ihr Geld beispielsweise mit dem Angebot von Alkohol oder Tabakwaren verdienten.
Pioneer wurde 2017 von der französischen Fondsgesellschaft Amundi übernommen. Das Unternehmen zählt zu den renommiertesten Anbietern von Nachhaltigkeitsfonds und hat einen der volumenstärksten Fonds im deutschsprachigen Raum aufgelegt.
Noch 1998 waren am deutschsprachigen Markt insgesamt lediglich zwölf nachhaltige Publikumsfonds für die Anleger verfügbar. Heute können Anleger aus mehr als 400 entsprechenden Fonds auswählen.
„Die zunehmende Sensibilisierung innerhalb der Gesellschaft für nachhaltige Entwicklungen hat durchaus ihre Spuren bei den Anlagemanagern hinterlassen“, sagt Christian Zimmermann, Leitender Fondsmanager bei Amundi Asset Management in Dublin. Doch wann ist „nachhaltig“ tatsächlich nachhaltig? Nach welchen Kriterien strukturieren Manager von grünen Fonds ihr Portfolio? Die Antworten im Interview: 5 Fragen an Christian Zimmermann.
Rund 22,9 Billionen US-Dollar, so die aktuelle GSIA-Studie , wurden Anfang 2016 in Europa, Asien, Australien/Neuseeland, Kanada und den USA nachhaltig angelegt - ein Anteil von mehr als 26 Prozent.
Generell können Anleger aus einer Vielzahl von Strategien auswählen, um ihr Anlageziel zu erreichen.
Investieren nach Prinzipien: Insbesondere Kirchen und Stiftungen geht es auch darum, die Ziele und Werte der Organisation – wie christliche Werte oder soziale, ökologische oder kulturelle Stiftungszwecke – aktiv zu fördern. Daher achten sie bei der Kapitalanlage verstärkt auf Nachhaltigkeitskriterien.
Investieren nach Risiko und Rendite: Andere Anleger sind überzeugt, dass die zusätzliche Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Kriterien bei der Anlageentscheidung hilft, die Chancen und Risiken einzelner Emittenten und Wertpapiere konkreter einzuschätzen. Damit wollen sie das Anlagerisiko in den Portfolien reduzieren. Denn für Unternehmen und Aktionäre, die weiter auf beispielsweise klimaschädliche Brennstoffe setzen, wachsen die Risiken: Mit dem Wechsel zu einer entschlosseneren Klimapolitik nach dem Pariser Gipfel müssen diese damit rechnen, dass Öl- und Kohlereserven im Boden bleiben und der Börsenwert der betroffenen Unternehmen sinkt.
„Neben der Qualität und Glaubwürdigkeit muss für unsere Anleger aber auch die Rendite nachhaltiger Kapitalanlagen stimmen“, weiß Bauer.
Das Vorurteil: Wer bei der Anlageentscheidung auf die soziale und ökologische Qualität der Anlageobjekte beziehungsweise Herausgeber achtet, muss auf Rendite verzichten. Grund: Die Nutzung von nachhaltigen Anlagestrategien wie Ausschlusskriterien oder Best-in-Class-Ansatz (Kauf von Aktien oder Anleihen derjenigen Unternehmen, die innerhalb ihrer Branche bezogen auf Nachhaltigkeit führend sind) führt regelmäßig zu einem geringeren Angebot von Anlagen, in die Anleger investieren können. Nach gängigen Portfolio-Theorien muss eine solche Einschränkung einfach negative Auswirkungen auf die Rendite und/oder das Risiko der Kapitalanlagen haben.
Die Befürworter der nachhaltigen Kapitalanlage kontern mit qualitativen und statistischen Argumenten: „Dank der Nachhaltigkeitskriterien wird eine für Rendite und Risiko positive Vorabselektion getroffen“, sagt Rolf D. Häßler, Diplom-Ökonom und Geschäftsführer des Instituts für nachhaltige Kapitalanlagen. „Dadurch wird zwar das zur Verfügung stehende Gesamtinvestment-Portfolio kleiner, der verbleibende Rest aber ist positiver hinsichtlich Renditechancen und -risiken.“
Unternehmen, die besonders effizient mit Rohstoffen und Energie umgehen, ihre Mitarbeiter und Zulieferer fair behandeln und sich bei der Gestaltung ihrer Produkte an den steigenden umweltbezogenen Anforderungen ihrer Kunden orientieren, werden dieser Einschätzung nach auch wirtschaftlich erfolgreicher sein. Gleiches gilt für Staaten, die über Staatsanleihen aufgenommene Gelder beispielsweise in Bildung und Infrastruktur investieren statt in Rüstung oder ökologisch-klimaschädliche Prestigeprojekte.
Im Hinblick auf die Auswahl von Unternehmen für Aktienfonds gibt eine Reihe von Kriterien, die weit verbreitet sind. Sie werden häufig in die drei Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung aufgeteilt und als ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) bezeichnet.
Was plausibel klingt, wird durch eine Vielzahl von Analysen statistisch untermauert. Mehr als 2.200 wissenschaftliche Studien , die seit 1970 erschienen sind, haben nachgewiesen, dass nachhaltige Geldanlagen mindestens eine so gute Rendite bieten wie konventionelle. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler der Universität Hamburg haben Anfang 2016 die verfügbaren Studien analysiert. Ihr Fazit:
Gute Nachricht für Anleger: Sie müssen sich nicht für eines der Ziele entscheiden, sondern können beide Grundmotive im Sinne einer doppelten Dividende miteinander verbinden. So setzen sie ihr Kapital mit gutem Gewissen und gemäß Ihren ethischen Vorstellungen ein.
Nachhaltigkeitsmanagement und soziale Verantwortung werden aber auch zum Indikator für die Qualität des Gesamtmanagements: „Wer seinen Energie- und Rohstoffverbrauch im Griff hat, fair mit Mitarbeitern und Kunden umgeht und auf die soziale und ökologische Qualität seiner Produkte achtet“, so Nachhaltigkeits-Experte Bauer, „dem traut man auch eher zu, das gesamte Unternehmen erfolgreich zu führen.“
Soziale und ökologische Kriterien werden bei der Kapitalanlage weiter an Bedeutung gewinnen. Zahlreiche aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen sollen nachhaltiges Wirtschaften fördern. So müssen europaweit kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern seit 2018 jährlich über wesentliche soziale und ökologische Aspekte ihrer Geschäftstätigkeit berichten - zum Beispiel auch die
HypoVereinsbank im Integrated Report 2017
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Dank dieser verbesserten Transparenz wiederum können Nachhaltigkeits-Ratingagenturen und letztlich nachhaltige Anleger die entsprechenden Leistungen der Unternehmen besser beurteilen und Anlageentscheidungen nach ethischen Kriterien treffen.
In Frankreich müssen Investoren per Artikel 173 des im Juli 2015 verabschiedeten Energiewendegesetzes regelmäßig über ihre nachhaltige Anlagestrategie sowie die Klimaauswirkungen ihrer Kapitalanlagen, den sogenannten „Carbon Footprint“ berichten. Frankreich könnte ein Testlauf für eine entsprechende europäische Regelung sein. Hintergrund sind nicht zuletzt die weitreichenden Beschlüsse der Pariser Weltklimakonferenz zur Dekarbonisierung der Wirtschaft vom Dezember 2015.
Gleichzeitig gibt es hier trotz der in Summe sehr positiven Aussagen keinen Automatismus zum Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitskriterien und Rendite-Risiko-Profil – also dem erwarteten Kapitalgewinn im Verhältnis zum Risiko der Geldanlage. Wie gut die finanzielle Performance eines Portfolios tatsächlich ist, beeinflusst maßgeblich der verantwortliche Fonds- oder Portfoliomanager.
Das ist auch beim nachhaltigen Investment nicht anders als beim konventionellen.
Zuletzt geändert 2017