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HVB Markt-Briefing – Audio vom 06.10.2025

Trumps autoritärer Freestyle: Worauf können Investoren bauen? +++ Aktien: Warum sind zweistellige Zuwächse 2026 möglich?

Andreas Rees:

Mein Eindruck ist schon, dass Trump mit der FED Tabula rasa machen möchte und sie an die ganz kurze Leine nehmen will, um eben die Zinsen stark nach unten zu drücken. Vermutlich sucht Trump einen Kandidaten, der seine Agenda stark oder zu 100 Prozent umsetzt. Er möchte seinen Einfluss auch hier weiter ausweiten.

Philip Gisdakis:

Das Gewinnwachstum bei ungefähr gleichbleibendem Kursgewinnverhältnis sollte sich in Kurssteigerungen entsprechend umsetzen. Also sollte sich das so materialisieren, dann kann man durchaus damit rechnen dass Aktienmärkte ein Potenzial haben, im nächsten Jahr so, ich sage jetzt mal, eine zweistellige Performance zu zeigen.

Titus Kroder:

Herzlich willkommen zum HVB Markt-Briefing, sagt Titus Kroder. Tja, wir blicken immer noch fast täglich gebannt nach Washington, müssen es tun, denn dort sitzt jemand an den Hebeln der Macht, der das Weiße Haus nicht nur mit immer mehr Gold verziert, sondern da residiert eben auch einer, der sich auch schon mal selbst als König quasi als King Donald I. gefeiert hat. Und dazu passt auch der Regierungsstil von Donald Trump, der autoritär wie ein launischer Monarch agiert und damit eben auch Wirtschaft und Finanzmärkte einer ganz neuen Form von Unberechenbarkeit aussetzt. Wie sehr leidet also die US-Wirtschaft bereits unter diesem autokratischen Politikstil?

Was ist, wenn die USA künftig mit einer politisch gelenkten Notenbank leben müssen? Und wie gehen Investoren mit diesem neuen Marktumfeld um? Das und noch mehr bespreche ich heute im Podcast mit Andreas Rees, dem Chefvolkswirt der HVB für Deutschland und Philipp Gisdakis, dem Chefanlagestrategen der Bank.

Hallo ihr beiden. Hallo, grüßt euch. Hallo, ich grüße euch. Heute ist unser Podcast also wieder im klassischen Experten-Line-up. Andreas, du warst länger nicht mehr dabei. Du warst nach der Sommerpause viel unterwegs, hast mit Kunden, Firmenvertretern und Investoren von Start-ups und Großunternehmen gesprochen.

Was treibt diese Leute eigentlich derzeit am meisten um? Ich nehme mal an, das Thema Trump ist da immer noch recht hoch auf der Agenda.



Andreas Rees:

Ja, genau, Titus. Also das ist sicherlich eines der ganz großen Themen für Investoren aber auch für Unternehmenskunden, der doch zunehmend autokratische Regierungsstil von Donald Trump.

Und was das dann wirklich für Implikationen hat für die amerikanische Wirtschaft, was mit der amerikanischen Notenbank passiert, der FED, kriegen wir möglicherweise eine FED, die dann das machen muss, was Donald Trump für richtig hält, nämlich die Zinsen zu senken. Auch ein weiteres wichtiges Thema natürlich, der Evergreen mittlerweile, die US-Zölle.

Donald Trump hat ja die Zölle auf Pharmaprodukte auf 100 Prozent erhöht. Die EU hat zwar eine Vereinbarung mit den USA, aber viele stellen sich halt dann doch die Frage, kommt da nicht doch noch was nach und ja, das sind so die ganz großen Themen.

Titus Kroder:

Charakteristisch für diesen Stil ist ja, dass Trump sich die Unternehmen in den USA zur Brust nimmt, wie es ihm gerade gefällt. Die Zollpolitik ist eine Art Dauerbaustelle geworden, wo fast täglich etwas Neues geschehen kann. Zu Beginn mal pauschal gefragt, wie sehr leidet denn die US-Wirtschaft bisher eigentlich unter diesem autoritären und unberechenbaren Stil von Donald Trump?

Andreas Rees:

Ja, Titus bevor ich die Frage beantworte, vielleicht einfach mal eine Zahl zu diesem Politikstil von Donald Trump, weil man anhand der Zahl glaube ich schön veranschaulichen kann, was da passiert. Es geht nämlich um die Anzahl der sogenannten Executive Orders, also die Anweisung des US-Präsidenten, ohne den Kongress fragen zu müssen. Und der Stand heute ist, dass Donald Trump seit seinem Amtsantritt Ende Januar mehr als 200 dieser Anweisungen gegeben hat. Und das ist eine gewaltige Zahl. Damit hat er fast schon den Stand aus seiner ersten Amtszeit erreicht und das wohlgemerkt eben über die gesamten vier Jahre damals.

Gleichzeitig ist es so, wir haben Hunderte von Klagen gegen die Maßnahmen der Trump-Regierung anhängig und die amerikanische Justiz muss darüber entscheiden. Also ein Teil der Maßnahmen wurde blockiert, andere wurden aber auch bestätigt. Also da geht es natürlich nicht nur um die Wirtschaft, sondern um das ganze Spektrum an politischen Entscheidungen.

Aber jetzt, um deine Frage zu beantworten, was man schon sagen kann, es ist eine aufgeheizte Stimmung. Und aus der Perspektive von amerikanischen und europäischen Unternehmen, ist jetzt doch in den letzten Wochen nochmal richtig viel Unsicherheit entstanden. Fundamental denken wir, dass die US-Wirtschaft immer noch kräftig genug ist, um für mehr Wachstum zu sorgen in den nächsten Quartalen.

Aber gleichzeitig ist das eben ein ziemliches Durcheinander, weil viele Entscheidungen jetzt dann die amerikanischen Gerichte treffen müssen. Wir haben ganz, ganz wichtig: Anfang November, da beginnt die Anhörung vor dem Supreme Court, ob der US-Präsident durch die Ausrufung eines Notstands die Zölle erhöhen darf oder nicht.

Wir wissen, die von Donald Trump nominierten Richter, die haben im Supreme Court eine Mehrheit und damit ist natürlich eine gewisse Erwartungshaltung verbunden. Aber wir wissen es halt nicht, wie dann das Urteil ausfallen wird. Also richtig ist, dass Donald Trump auch andere Gesetze und Befugnisse nutzen kann, um die Zölle hochzuhalten.

Aber gerade diese anstehende Entscheidung des Supreme Courts, das ist eine ganz wichtige, weil damit auch eine Signalwirkung einhergehen könnte, für andere Entscheidungen, also wirklich ein wichtiger Lackmustest für Donald Trump, wie weit er noch gehen kann. Ja, und das andere wichtige Thema, wenn es um Wirtschaft geht, das gleiche trifft auch auf die Unabhängigkeit der FED zu.

Trump will seine FED-Gouverneurin Lisa Cook entlassen, sie hat sich jetzt dagegen juristisch gewehrt, der Supreme Court hat vor ein paar Tagen gesagt, dass Frau Cook erstmal im Amt bleiben darf, bis es eine Anhörung dazu gibt im Januar. Aber die Entscheidung, wie es bei der FED weitergeht, stärkere Abhängigkeit oder nicht, die steht immer noch aus.

Titus Kroder:

Trump fordert ja aggressiv, weil wir gerade beim Thema FED sind, die Zinsen deutlich weiter zu senken. Das hast du auch schon Eingangs gesagt. Er betreibt, auch das hast du erwähnt, offen die Demontage von Mitgliedern des Entscheidungsgremiums der FED. All das sind ja Tabubrüche, die es in dieser Härte und in dieser Deutlichkeit noch nie gegeben hat.

Sind also die Tage einer unabhängigen US-Notenbank nun gezählt? Wie siehst du das?

Andreas Rees:

Ich muss ehrlicherweise sagen, ich weiß das nicht. Niemand kann im Moment sagen, wo wir in sechs oder in zwölf Monaten stehen, aber was man schon sagen kann, was wir jetzt gerade so im Moment erleben, das ist Terra incognita, würde ich sagen, das hatten wir noch nie, aber mein Eindruck ist schon, dass Trump mit der FED Tabula Rasa machen möchte und sie an die ganz kurze Leine nehmen will, um eben die Zinsen stark nach unten zu drücken.

Alle reden darüber, natürlich geht es nach wie vor auch um die Nachbesetzung von Jerome Powell, dem FED Chair im Mai nächsten Jahres. Da steht es hier an und vermutlich sucht Trump einen Kandidaten, der seine Agenda stark oder zu 100 Prozent umsetzt und auf den er erheblichen Einfluss ausüben kann. Aber das ist mehr als die Nachbesetzung von Powell.

Trump geht ja mittlerweile noch ein paar Schritte weiter. Er möchte eben, wie gerade besprochen, Frau Cook aus dem FED-Board entfernen, damit seine von ihm nominierten Kandidaten dort eine Mehrheit haben. Also das ist zumindest seine spezielle Sichtweise darauf. Und in der Denke von Donald Trump, mit dieser Mehrheit könnte dann das FED-Board also die Zentrale in Washington die Bestätigung der regionalen FED-Gouverneure verhindern, die auch über die Zinspolitik entscheiden dürfen.

Also diese Bestätigung, diese Abstimmung des FED-Boards über die regionalen FED-Gouverneure, die findet wahrscheinlich im Februar nächsten Jahres statt und normalerweise ist das also wirklich eine absolute Formsache. Aber da steigt eben jetzt auch die Spannung und bei einer Ablehnung dieser regionalen FED Gouverneure, so ist die Denke von Donald Trump, steigen seine Chancen, dass er neue Kandidaten also von ihm natürlich, ins Spiel bringen kann und er möchte seinen Einfluss auch hier weiter ausweiten.

Also ob das dann am Ende wirklich gelingt, ich hoffe es nicht, aber ich muss auch ehrlicherweise sagen, wir wissen das ja alle, wir haben in den letzten Wochen und Monaten geglaubt,  so viele Dinge erlebt, die hat man sich nicht vorstellen können. Also insofern man kann nichts mehr ausschließen.

Titus Kroder:

Einen loyalen Mann im Zinsgremium hat er ja schon installiert. Wer an der Spitze nachfolgt hast du gesagt, ist noch ziemlich ungewiss. Was würde denn passieren, wenn die FED künftig ihre geldpolitische Unabhängigkeit komplett verlieren würde?

Andreas Rees:

Die USA befinden sich an einem neuralgischen Punkt Die Inflation ist hartnäckig. Sie hat sich bei rund 3% eingenistet und 3% ist für eine unabhängige FED zu hoch. Die FED versteht unter Preisniveau-Stabilität, eine Inflationsrate von 2% oder etwas darunter. Und jetzt haben wir eine hartnäckige Inflation. Jetzt sind schon gekommen die Zollerhöhungen und die bergen des Risiko, dass die Inflation erst einmal weiter steigen könnte. Ich bin jetzt ganz vorsichtig. Also eigentlich müsste die FED die Leitzinsen hochhalten, vielleicht sogar erhöhen.

Also so wie ich das sehe, ein bisschen senken ja, das ist okay. Wir liegen beim Leitzins aktuell bei 4,25 Prozent, Inflation bei 3 Prozent. Also insofern etwas restriktiv. Das passt immer noch. Aber eben zu starke Zinssenkungen, die sind in dem Umfeld nicht angebracht, aber genau das würde vermutlich passieren, wenn die amerikanische Notenbank an die kurze Leine genommen wird.

Und ich würde jetzt sogar noch einen Schritt weiter gehen wollen. Die USA, und darüber rede ich auch wirklich oft mit Kunden, die USA haben eine hohe Staatsverschuldung, die muss finanziert werden. Und eine abhängige Notenbank, eine abhängige FED, die könnte dann am Ende auch dazu gezwungen werden, diese amerikanischen Staatsanleihen einfach aufzukaufen

Titus Kroder:

Philipp, mal aus Sicht der Märkte betrachtet, die FED hat den Zins in diesem Herbst ja schon einmal gesenkt.

Die Märkte sehen aber offenbar noch viel mehr Zinsschritte abwärts voraus. Erwartet man denn da bereits, dass die FED den gewünschten Zinspfad aus dem Weißen Haus nun ganz brav umsetzt und damit eigentlich die Unabhängigkeit in den Augen der Märkte eh schon über Bord gegangen ist?

Philip Gisdakis:

Ja Titus du sprichst jetzt die Zinserwartung, die implizite Zinserwartung an, also das heißt das, was in den Märkten eingepreist ist, kann man aus den Zinsgruppen ableiten. Schauen wir uns zunächst mal an was eingepreist ist. Also der Markt erwartet zwei weitere Zinssenkungen dieses Jahr, also eine in jeder Sitzung. Und wenn die im Dezember nicht kommt, dann würde sie laut Markterwartung im Januar kommen.

Also es ist nicht ganz klar, ob sozusagen die zweite dann tatsächlich im Dezember oder im Januar ist. Das wären dann zwei Zinssenkungen und wenn man sich die Zinskurven anschaut, dann werden bis Anfang 2027 noch zweieinhalb weitere Zinssenkungen eingepreist. Also wenn man das zusammen nimmt, sind es vier bis fünf Zinssenkungen und das würde dann bis zu diesem erwarteten Tiefpunkt Anfang 2027, den Zentralbankzins von aktuell 4 bis 4,25 auf 3 Prozent senken.

Und das ist mehr als wir erwarten und als auch wir denken, gerechtfertigt finden, aber nicht dramatisch mehr, als wir gerechtfertigt finden, wenn man sich auch mal den Durchschnitt der Zentralbankprognosen insbesondere der langfristigen Zentralbankprognosen anschaut, also wo dann das FED-Komitee die einzelnen Gouverneure gefragt werden, wo sie denn langfristig den Zins sehen.

Und diese langfristige Perspektive wird interpretiert als, wo die FED den neutralen Zins sieht, dann liegt er eben bei 3%. Das heißt, der Markt erwartet, dass die FED die Zinsen auf den neutralen Zinssatz senken wird bis ins erste Quartal 2027. Andreas hat gerade gesagt, dass die Inflation hartnäckig hoch ist, zu hoch ist und diese implizite Sichtweise der Märkte, dass die FED die Zinsen eben senken wird auf den neutralen Zinssatz, die passt nicht ganz zu den Erwartungen bezüglich Inflation. Merkt er auch noch, dass die Inflation hartnäckig hoch bleibt, aber eben auch Wachstum, denn die Märkte, der Konsensus erwartet eben auch, dass das Wirtschaftswachstum sich Richtung Potenzialwachstum ergibt, also Richtung zwei Prozent ungefähr geht, wenn das Potenzialwachstum in den USA ungefähr bei zwei Prozent liegen sollte und auch die Unternehmensgewinne, die sollten sich in den USA beschleunigen.

Also das heißt, das passt nicht so ganz zusammen. In so einem Umfeld würde man nicht unbedingt erwarten, dass die FED die Zinsen tatsächlich bis runter auf die neutrale Rate senkt. Aber es ist eben nicht so weit weg, dass der Markt damit ein Problem hat. Die Auswirkungen davon sieht man jetzt schon im US-Dollar.

Denn wenn man sich sozusagen ein langfristiges Gleichgewicht-Modell anschaut, also die gehen immer so, dass man sich die Zinsdifferenz im zweijährigen Zeithorizont anschaut, dann sieht man, dass der Dollar sich stärker abgeschwächt hat gegenüber dem Euro, als eben die reine Zinsentwicklung rechtfertigen würde.

Und da ist im Dollar schon ein bisschen Risikoprämie eingepreist. Und wir sprechen über die kurzen Zinsen, also sozusagen die bis zu zwei Jahre, die lange Zinskurve und insbesondere die 30-Jährige, die ist zuletzt nicht besonders stark zurückgekommen, die hält sich hartnäckig hoch. Das heißt, da wird schon ein bisschen Risikoprämie eingepreist, also eine Inflationsrisikoprämie.

Titus Kroder:

Das heißt also, wenn ich das zusammenfasse, es gibt keine sehr deutlichen Hinweise, dass die Märkte schon sozusagen die Unabhängigkeit der FED über Bord gegangen sehen. Ja, genau. Andreas, große Zentralbanken, etwa die Bank of England oder die Banque de France waren ja, zinspolitisch sehr lange aus den jeweiligen Finanzministerien geführt worden.

Inzwischen hat sich aber das geändert und sie sind unabhängig. Aber früher hat ja das auch relativ gut funktioniert mit Wirtschaft und Wachstum. Ist das, was Trump da vorhat, also die politisch geführte Notenbank, also tatsächlich so ein harter Tabubruch und so schädlich für die Wirtschaft?

Andreas Rees:

Ja, Titus jetzt würde ich am liebsten sagen, früher ist halt doch nicht immer alles besser gewesen. Nein, aber im Ernst, also das Problem ist, politische Notenbanken die haben einen gravierenden Nachteil. Die Gefahr ist, dass sie halt im Interesse einer Regierung handeln oder vielleicht sogar von einzelnen Politikern und das ist nicht zwangsläufig immer im Interesse der Allgemeinheit. Also, zu stark abhängige Notenbanken, die agieren,  die sind tendenziell aktivistisch, die verlieren möglicherweise auch das Ziel von niedrigen Inflationsraten aus dem Blick. Und da glaube ich schon, da gibt es wirklich gute Gründe, warum man die Notenbanken in den letzten Jahrzehnten schrittweise mit mehr Entscheidungsbefugnissen ausgestattet hat. Und es ist, glaube ich auch gut, dass Technokraten über die Geldpolitik entscheiden und nicht Politiker.

Also das Modell hat sich bewährt und das sollte man deshalb auch nicht aufgeben. Und außerdem, das darf man ja nicht vergessen, Notenbanken wie die FED oder auch die EZB, die sind ja nie vollständig unabhängig.  Also auch Notenbanker, die bewegen sich nicht im luftleeren Raum. Also da ist nach meinem Geschmack eigentlich schon genügend Einflussnahme der Politik. Und mehr sollte es bitte dann auch nicht sein.

Titus Kroder:

Wen das Thema Unabhängigkeit der Notenbanken noch etwas vertieft interessiert, der sei auf einen druckfrischen Compass-Checkpoint des Research-Teams der UniCredit hingewiesen, mit dem Titel „Die FED unter Beschuss.“ Das Paper ist in den Shownotes verlinkt.

Schauen wir noch auf Trumps Außenwirtschaftspolitik. Die erste Zollwelle aus dem Frühjahr und Sommer, die ist durch. Auch die EU hat inzwischen ihren Deal von pauschal 15% Einfuhrabgabe in die USA auf die meisten Waren aus der EU. Ist da jetzt Ruhe eingekehrt und jeder weiß eigentlich, woran er ist? Oder kann da immer noch was kommen? Jetzt mal auch in Richtung Europa geschaut.

Andreas Rees:

Die Art, wie ich da drauf gucke oder meine Meinung ist, dass wir uns hier in Europa nicht zu sehr in Sicherheit wiegen sollten. Nach dem Motto jetzt haben wir unseren Deal gekriegt mit den 15 Prozent Zöllen und das war es jetzt.

Also so tickt Donald Trump nicht. Ich glaube, ich weiß es nicht, aber ich glaube, er wird sich damit auf Dauer nicht zufrieden geben. Und ein Beispiel für ein nach wie vor umstrittenes Thema zwischen den USA und der Europäischen Union, das ist die Regulierung der amerikanischen Tech-Unternehmen in Europa.

Auch die Versprechen der Europäer, dass ihre Unternehmen mehr in den USA investieren und dass wir den Amerikanern noch mehr Energie abkaufen. Das ist ja ein ganz wichtiger Bestandteil des Deals. Das sind Versprechen. Ich glaube, die können wir in den nächsten Jahren nicht einhalten. Also, dass wirklich so viel investiert wird, so viel Energie abgekauft wird. Und Trump wird, denke ich, spätestens im nächsten Jahr auf die Zahlen gucken. Und dann feststellen, dass die Europäische Union sich nicht vollständig an dem Deal gehalten hat und dann wird er darauf reagieren. Vielleicht sogar mit neuen Forderungen nach höheren Zöllen oder irgendetwas anderes. Und wenn ich mir mal jetzt angucke, was Donald Trump gerade mit Südkorea und Japan macht, auch diese Länder haben Investitionszusagen gegeben in einem sehr großen Umfang mehrere hundert Milliarden US-Dollar.

Aber Trump hat jetzt gesagt, dass er nicht warten will. Und das Geld jetzt möchte und zwar in bar. Also das sagt eigentlich schon alles aus.

Titus Kroder:

Was ist denn mit dem Ziel, das Trump mit den Zöllen ja im Endeffekt eigentlich erreichen möchte? Nämlich, dass die großen ausländischen und auch die inländischen Firmen in den USA direkt investieren, Werke hochziehen, Leute beschäftigen und so weiter.

Man hat ja zuletzt wenig gehört. Die große Verlagerung von Investitionskapital etwa von Europa nach Nordamerika, gibt es die? Findet man dafür Indizien oder hat sich das alles in Luft aufgelöst?

Andreas Rees:

Ich denke schon, es wird europäische oder auch deutsche Unternehmen geben, die werden mehr in den USA investieren.

Die USA sind ein attraktiver Markt und durch die höheren Zölle, da werden Verlagerungen stattfinden. Aber was man jetzt, glaube ich, nicht machen sollte, ist, dass man sich die Ankündigungen von einzelnen Unternehmen anschaut und dann sozusagen auf das große Ganze, auf das makroökonomische Bild schließt.

Und da finde ich ganz interessant das Ergebnis einer Blitzumfrage damals im August von der DIHK. Und nach dieser Umfrage wollen mehr Unternehmen ihre Investitionen in den USA drosseln, als dass hier mehr in den USA investiert werden soll. Also wie gesagt, das war eine Blitzumfrage, das ist eine Momentaufnahme, aber das finde ich ganz interessant, weil eben durch die Trumpsche Politik viel Unsicherheit entsteht.

Trump macht ja keine kohärente Wirtschaftspolitik. Wenn man es sich zum Beispiel anschaut und ich denke, das werden auch die deutschen Unternehmen sicherlich auf dem Radar haben, Trump hat südkoreanische Arbeiter und Angestellte deportiert. Er verschärft die Visa-Gruppen Bestimmung für ausländische Arbeitskräfte. Das sind ja alles Nachteile. Und die Unternehmen in Europa, die werden diese Nachteile natürlich gegen die Vorteile abwägen. Also den ganz großen Kapitalabfluss den sehe ich in den nächsten Jahren nicht.

Titus Kroder:

Philipp, bleiben wir noch bei den transatlantischen Kapitalströmen. Direktinvestitionen über die wir gerade gesprochen haben, sind ein Ding. Ein anderes Ding sind ja die deutlich liquideren Investitionen, Anlageströme an den Finanzmärkten. Da gibt es nun schon geraume Zeit einen Trend, der viel Investorenkapital aus Amerika auf die europäischen Börsen spült. Ist dieser Trend denn noch intakt aus deiner Sicht?

Philip Gisdakis:

Ja, das bezieht sich im Wesentlichen auf die Aktienmärkte und hier muss ich eine kleine Einschränkung machen.

Die gesamten Kapitalströme im Aktienmarkt, also inklusive einzelner Aktieninvestments sind sehr schwer zu messen. Deswegen nimmt man als eine Abschätzung typischerweise die Kapitalflüsse in ETFs, also in Indexprodukten. Und da hat man in der Tat wie du das gesagt hast, gesehen, dass vor ein paar Monaten relativ starke Ströme, sozusagen Abflüsse aus den USA und Zuflüsse in Europa zu verzeichnen waren. Diese Entwicklung hat sich nicht umgekehrt. Aber hat sich mehr oder weniger deutlich abgeschwächt. Also wir sehen jetzt keine großartigen Nettozuflüsse aus den USA in Europa in ETFs mehr. Das ist sozusagen zum Erliegen gekommen, aber es hat sich auch noch nicht wieder umgedreht.

Titus Kroder:

Was lässt sich denn ganz generell aus deiner Perspektive, also quasi durch die Investorenbrille zu diesem autoritären Führungsstil von Trump sagen, diese Ungerechenbarkeit, die Launigkeit und Unsicherheit, hat das bestimmte Trends am Aktienmarkt ausgelöst?

Philip Gisdakis:

Also ich weiß jetzt nicht genau, ob seine Laune den Trend, den ich jetzt gleich ansprechen werde, ausgelöst hat, aber es passt auf alle Fälle sehr schön, denn was wir dieses Jahr an den Kapitalmärkten gesehen haben ist, dass zunächst einmal sozusagen Quality, das ist ja eine der Philosophien der wir anhängen, underperformed hat. Also das heißt, Qualitätsaktien haben in diesem Jahr den breiten Markt eher underperformed, wobei sie gestiegen sind, halt eben nicht so stark gestiegen sind wie der breite Markt. Jetzt kann man das irgendwie in Verbindung setzen mit Donald Trump.

In den letzten Tagen und Wochen hat sich das aber auch schon wieder ein Stückchen moderiert und ich bin überzeugt davon, dass in den unsicheren Zeiten, die wir im Moment gerade haben, die ja hervorgerufen werden durch eine starke, sage ich jetzt mal, transformative und disruptive Wirkung, die eben diese Zölle ausmachen.

Wir sind ja in einem Umfeld, in dem unsere globale Wirtschaft stark von effizienten Lieferketten abhängig sind und diese Lieferketten werden durch diese Zölle auseinandergerissen. Und das stellt für viele Geschäftsmodelle ein großes Problem dar. Und wir sind überzeugt davon, dass es insbesondere solchen Unternehmen gut gelingt mit diesen Zöllen, disruptiven Entwicklungen umzugehen, die ihr Geschäftsmodell und ihre Bilanz unter Kontrolle haben.

Das sind im Prinzip die Kernkriterien für einen Qualitätsansatz. Und deswegen glauben wir, dass Qualität sich in diesem Umfeld eigentlich sehr gut darstellen wird. Ich muss aber sagen, dass das in diesem Jahr nicht vollumfänglich der Fall war.

Titus Kroder:

Zwei Fragen noch an dich zum Marktausblick. Mal für das letzte Quartal, das ja nun schon läuft, was erwartest du bis Weihnachten für die Aktienmärkte in Europa und auch in den USA?

Philip Gisdakis:

Also schaut man auf die langfristige Statistik gerade in Europa, dann sagt die eigentlich, dass das vierte Quartal eher ein stärkeres Aktienmarktquartal ist. Es gibt immer diese klassische Year-End-Rallye und so weiter. Und das kann man nicht ausschließen. Im Gegenteil das Umfeld sieht gar nicht so schlecht aus. Aber man muss natürlich auch dazu sagen, dass es schon eine ganze Reihe von Risikofaktoren gibt. Eben das Thema Federal Reserve, aber auch andere Themen, die sozusagen die Märkte stark umtreiben und für Volatilität sorgen.

Auch die Tatsache, dass man die positiven Erwartungen hat, die an Europa und an Deutschland aufgrund der Investitionsprogramme gestellt werden, die sieht man noch nicht. Und zuletzt ja auch das Stimmungsbarometer, der ifo-Index zurückgegangen ist. Also das heißt, es gibt durchaus hier einige Risikofaktoren, die bis zum Ende des Jahres auch nochmal für Volatilität sorgen können.

Aber nicht ganz von der Hand zu weisen ist eben diese Tatsache, dass die Jahresendrallye, sage ich jetzt mal, auch dieses Jahr wieder die Märkte zum Jahresende ganz gut weiterbringen könnte. Und deswegen ist unsere Empfehlung, obwohl wir insgesamt aufgrund der Risiken sozusagen als eine Reflexion der Risikofaktoren noch neutral auf der Aktienseite sind, dass man durchaus, und das ist auch das, was wir vorhaben, eventuelle Rücksetzer zu Zukäufen nutzen kann, um sich eben dann für das nächste Jahr zu positionieren.

Titus Kroder:

Noch ein ganz kurzer Blick hinter den Vorhang nach 2026, vielleicht noch ein bisschen früh im Jahr danach zu fragen, aber ihr analysiert das ja schon. Was lässt sich da soweit vorausschauend schon absehen?

Philip Gisdakis:

Ich habe ja vorhin schon gesagt, dass die Konsensuserwartung ist, dass sich das Wachstumsumfeld sowohl in den USA als auch in Europa beschleunigen sollte, in 26 und auch darüber hinaus.

Und das gilt nicht nur für das gesamte BIP-Wachstum, das gilt auch für die Erwartung bezüglich der Unternehmensgewinne, also für die Wachstumserwartung gelisteter Unternehmen wird erwartet, dass das Gewinnwachstum sowohl in Europa als auch in den USA in 2026 als auch in 2027 zweistellig sein dürfte.

Für die USA sogar deutlich stärker zweistelliger, als in Europa das der Fall ist. Also in Europa so zwischen 10 und 11 Prozent. Und jährliches Wachstum 26 und 27 und für die USA eher so 13 bis 15 Prozent. Sollte sich das so materialisieren, dann kann man durchaus damit rechnen, dass Aktienmärkte ein Potenzial haben im nächsten Jahr so, ich sage jetzt mal eine zweistellige Performance.

Zu zeigen, also so roundabout, denn zweistelliges Gewinnwachstum bei ungefähr gleichbleibendem Kurs-Gewinn-Verhältnis sollte sich eben das Gewinnwachstum dann in Kurssteigerungen entsprechend umsetzen. Also wir haben eigentlich einen ganz konstruktiven Ausblick für das nächste Jahr, aber wie gesagt, kurzfristig können da durchaus noch ein bisschen Volatilität am Markt sein, die man dann eben nutzen kann, um selektiv zuzukaufen.

Titus Kroder:

Andreas Rees und Philip Gisdakis waren das. Trump und seine autoritären Manöver und was der damit in der Wirtschaft anrichtet, das war unser Thema im Podcast heute. Trump greift wie kein Präsident zuvor in Märkte und in die Privatwirtschaft ein. Er kanzelt Vorstandschefs ab, wenn er es für nötig hält. Er vermischt eiskalt außen und wirtschaftspolitische Ziele. Er beteiligt den Staat an Firmen, wo er es für nötig hält. Er hypt Kryptoassets und verdient auch noch daran. Dieser autokratisch-politische Freestyle aus dem goldgerenderten Weißen Haus ist etwas, was die Weltwirtschaft und auch uns hier im Markt-Briefing noch eine Weile begleiten dürfte - davon kann man glaube ich ausgehen.

Abonnieren oder empfehlen Sie uns also. Wir melden uns in 14 Tagen wieder. Der nächste Download steht ab dem 20. Oktober zur Verfügung. Mein Kollege Nikolaus Barth wird die nächste Episode moderieren. Kommentare und Hinweise, viele von Ihnen wissen es bereits, empfangen wir gerne auf der E-Mail markt-briefing@unicredit.de.

Wir sagen Tschüss, das sind Andreas Rees, Philip Gisdakis und Titus Kroder. Bis zum nächsten Mal.