China vs. USA: Zollpakt – nur eine 90-Tage-Lösung? +++ Aktienmärkte: Ignorieren Investoren bereits das Zollchaos?
Andreas Rees
Der Handel zwischen den USA und China ist stark ausgetrocknet. Immer weniger Containerschiffe haben die chinesischen Häfen Richtung USA verlassen. Da lag zeitweilig das Minus bei mehr als 40 Prozent. Also das hat richtig wehgetan. Und das ist auch der Grund, warum sich dann beide Seiten so schnell auf niedrige Zölle geeinigt haben.
Philip Gisdakis
Wenn sich es so einstellt dass das Jahr 2025 halt ein schwieriges Jahr aufgrund dieser Soll-Schocks gewesen ist, aber 26 und 27 sich so entwickelt, wie das ursprünglich mal vom Jahresgewinnwachstum erwartet wurde, dann sollte man auch ab dem Sommer sehen, dass das Jahr Die 12-Monats-Gewinnerwartung dass sich das wieder nach oben entspannt.
Titus Kroder
Hallo und herzlich Willkommen, Titus Kroder, begrüßt Sie zum HVB Markt-Briefing, dass wir für Sie wieder mit top aktuellen Analysen gefüllt haben. Zu einer Wirtschaftswelt, die sich derzeit nun wahrlich kaum stillsteht. Denn ein US-Präsident bewohnt das Weiße Haus, der eine völlig neue Welthandelsordnung anstrebt und dazu nahezu täglich neue Schlagzeilen produziert. Erinnern wir uns, am 2. April rief Donald Trump den sogenannten Liberation Day aus, den Befreiungstag der USA mit drastischen Zollankündigungen gegen fast jedes Land der Erde.
Anderthalb Monate später wollen wir nun ein erstes Fazit ziehen. Wie wird es nun also weitergehen nach der jüngsten Zolleinigung der beiden größten Wirtschaftsmächte der Erde, USA und China? Warum holen die Aktienmärkte die Talfahrt nach dem ersten Zollschock eigentlich so schnell wieder auf? Und bei welchen Themen sind wir noch keineswegs wieder zurück zu den Verhältnissen vor dem Liberation Day?
Mit dabei heute wieder die bewährten HVB-Experten Andreas Rees und Philipp Gisdakis mit frischen Analysen, Einblicken und Sichtweisen im Gepäck. Hallo, ich grüße euch ganz herzlich.
Audio-Einspieler von Donald Trump, Pressekonferenz Mai 2025
Titus Kroder
Trump ging Anfang April sofort in einen drastischen Handelskonflikt mit China. Beide Seiten setzten Importzölle von weit über 100 Prozent gegeneinander an. Wir hatten es gerade im Clip von Trump gehört, was nun aktuell gilt. China hat den Zoll auf US-Importe nun erstmal für drei Monate auf 10% gesenkt Für China-Importe in die USA werden dabei 30% fällig.
Andreas, du bist Chefökonom der HVB. Ist Trump da seinem Ziel nun überraschend schnell nähergekommen? Was hat er eigentlich erreicht mit diesem China-Deal?
Andreas Rees
Ja, Titus, das ist eine gute Frage. Was hat er eigentlich erreicht? Wenn man sich die Kommentare der Trump-Administration anschaut, die feiert das natürlich als Sieg ab.
Aber faktisch, finde ich, hat er eigentlich so gut wie nichts erreicht, also wenig Handfestes. Und allein schon, dass sich beide Seiten, die USA und China, so schnell nach nur wenigen Verhandlungstagen auf eine Reduzierung der Zollsätze geeinigt haben, spricht ja schon dafür, dass die Zölle wehgetan haben, also sowohl den Amerikanern als auch den Chinesen. Denn wenn eine Seite wirklich etwas gewonnen hätte in den letzten Wochen, dann hätte man ja auch weiter pokern können oder weiter pokern müssen. Aber genau das ist eben nicht passiert. Also der Handel zwischen den USA und China ist stark ausgetrocknet. Immer weniger Containerschiffe haben die chinesischen Häfen Richtung USA verlassen. Da lag zeitweilig das Minus bei mehr als 40 Prozent. Also, das hat richtig wehgetan und das ist auch der Grund, warum sich dann beide Seiten so schnell auf niedrige Zölle geeinigt haben.
Titus Kroder
Reden wir über den Taco. Das ist für Mexiko-Kenner eigentlich ein wohlschmeckender kleiner Snack aus Maisfladen mit feinen Füllungen von Fleisch bis Avocado. Als Kürzel verwenden nun aber auch Finanzmarktkreise TACO , um den eigentümlichen Politikstil von Donald Trump zu beschreiben.
Klär uns doch mal auf, Andreas, warum Trump inzwischen als TACO-Man gilt.
Andreas Rees
Ja, also TACO hat nichts mit mexikanischer Küche zu tun, sondern das steht für Trump Always Chicken Out, also wenn man das jetzt freundlich übersetzen möchte, heißt das, dass Trump am Ende dann doch immer nachgibt, also zumindest teilweise. Wenn Man jetzt die letzten Monate Revue passieren lässt, dann kann man finde ich, schon ein Muster erkennen.
Es war ja nicht nur bei China so, dass Trump dann die Zölle wieder gesenkt hat, nachdem er sehr aggressiv war. Nach dem sogenannten Liberation Day Anfang April, da ist etwas Ähnliches passiert. Zuerst wurden die Zölle auf viele Länder teilweise drastisch angehoben und dann innerhalb von ein paar Tagen nach den Finanzmarkt-Turbulenzen wieder gesenkt. Vorher hat Trump auch angedroht die Zölle auf Importe aus Mexiko und Kanada anzuheben. Das hat er dann aber auch wieder einkassiert, beziehungsweise nicht umgesetzt. Also ich finde, ein gewisses Muster, das ist mittlerweile schon erkennbar.
Titus Kroder
Die Trader an der Wall Street sprechen derzeit auch von einem Taco-Market, also einem Markt, in dem man sich eben fast schon darauf verlassen kann, das erste Mal laut gebrüllt und dann von Trump nur klein geliefert wird.
Wie geht es denn nun weiter mit den Zöllen, mit der Unsicherheit? Alles scheint derzeit nur für 90 Tage zu halten, muss noch ausgearbeitet werden. Verlassen kann man sich da auf wenig. Stehen wir da mit dem China-Deal jetzt auf sicherem Grund? Wie geht das Trumpsche Zolling mit dem Rest der Welt und auch mit China weiter, deiner Meinung nach?
Andreas Rees
Also ich denke, dass so absurd hohe Zölle, über 100 Prozent, das dürfte jetzt vom Tisch sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das nochmal wiederholen wird. Dafür sind die ökonomischen Abhängigkeiten der USA mit anderen Ländern zu hoch. Ich glaube, das ist eine Lektion die Trump oder seine Administration gelernt haben sollte.
Das heißt jetzt aber im Umkehrschluss nicht, dass man Entwarnung geben kann oder dass man Trump am Ende jetzt wirklich ganz genau prognostizieren kann, trotz TACO. Also wo wir dann am Ende genau landen werden, bei welcher Zollhöhe für welches Land, das weiß ich nicht. Ich glaube, das weiß niemand. Bis zum 8. Juli da sind ja die Zölle für viele Länder, einschließlich der Europäischen Union, bei 10 Prozent eingefroren. Was danach kommt, das werden wir dann sehen. Für China gelten die 30 Prozent jetzt auch noch rund drei Monate. Also wie gesagt, die genauen Zahlen, das lässt sich nicht vorhersagen. Aber ich halte es dann am Ende des Tages nach diesen Fristen für unwahrscheinlich, dass wir zu den niedrigen Zollsätzen wieder zurückkehren, die wir gesehen haben vor Trump 2.0. Also ein stärkerer Protektionismus und höhere Zollsätze, das dürfte aller Voraussicht nach bleiben.
Titus Kroder
Was gibt es denn für Langzeitfolgen für die USA aus diesem besonderen Politikstil von Donald Trump? Er wird nicht müde immer wieder zu behaupten, es gäbe schon Milliarden an Zusagen für Investitionen in den USA, quasi als positiver Effekt seiner neuen Zollschranken.
Wie siehst du das? Was sind die Langzeiteffekte dieser Politik, was das Ziel angeht, wieder mehr Wertschöpfung „Made in America“ buchen zu können?
Andreas Rees
Ja, also was wirklich schon stimmt, wir haben Zusagen zum Beispiel aus Saudi-Arabien jetzt oder aus Katar, dass hier von staatlicher Seite viel in die USA investiert werden soll.
Aber wie ein Journalist das sehr schön vor ein paar Tagen ausgedrückt hat, wahrscheinlich oder rational ist es eben für Unternehmen, vielleicht auch für Staaten, dass man erstmal etwas ankündigt zu investieren, aber dass man erstmal auch abwarten wird, wie es dann eben weitergeht. Also am Ende des Tages glaube ich nicht, dass Trump das erreichen wird, was er eigentlich möchte, dass sich viele ausländische Unternehmen in den USA niederlassen und dass wirklich eine Reindustrialisierung der USA stattfindet.
Dazu ist die Wirtschaftspolitik zumindest im Moment viel zu sprunghaft. Es gibt keine verlässlichen Rahmenbedingungen. Und deshalb denke ich, dass viele Unternehmen erst einmal eben abwarten werden. Und an der Stelle, und auch wenn es banal ist, ich will es einfach nochmal gesagt haben, Investitionen von ausländischen Unternehmen, die hängen nicht nur von Zöllen ab, sondern das Gesamtpaket muss stimmen. Also da haben die USA sicherlich einiges zu bieten, wie zum Beispiel ein großer Absatzmarkt, eine hohe Kaufkraft, niedrige Energiekosten und so weiter. Aber es gibt eben auch die Nachteile wie... Ein enger Arbeitsmarkt, mangelnde Qualifikation und jetzt eben auch die höheren Zölle, weil die höheren Zölle, die verteuern die Einfuhr von Importgütern und das trifft dann die amerikanischen und eben aber auch die ausländischen Unternehmen. Und deshalb wird das Ganze nach meiner Einschätzung, wenn es um Investitionen geht, da wird sich erstmal nicht so wahnsinnig viel tun.
Titus Kroder
Immerhin rund 600 Milliarden Dollar Handelsvolumen stehen hier zwischen den USA und China zur Diskussion. Ein enormes Volumen und ein nicht unwesentlicher Brocken auch im Kontext des gesamten Welthandels.
Bisher haben wir nur 90-Tage-Zoll-Abkommen als Grundlage. Was wird also nun deiner Meinung nach mit dem Welthandel insgesamt und auch den zahllosen weltumspannenden Lieferketten passieren?
Andreas Rees
Der Welthandel hat jetzt erstmal eine Delle hingelegt, weil die Handelsströme zwischen den USA und China ausgetrocknet sind.
Das dürfte jetzt aber in den nächsten Wochen und in den nächsten drei Monaten wieder korrigiert werden. Ich würde sogar vermuten, dass wir in den nächsten Wochen einen sehr starken Anstieg sehen werden - zwischen den USA und China, also die Handelsströme, insbesondere die Importe aus China in die USA.
Denn wahrscheinlich dürfte es so sein, dass die chinesischen Unternehmen ihre Lieferungen vorziehen, weil sie eben nicht wissen, was nach der 90-Tage-Frist passiert. Also, es gibt Vorzieheffekte und das könnten zum Beispiel auch Lieferungen schon sein für den Black Friday Ende November und das frühe Weihnachtsgeschäft, also das sind kurzfristige Effekte.
Längerfristig denke ich, da werden sich der Welthandel und die Lieferketten durch diese Zollpolitik der USA, ja, da wird es auch strukturelle Veränderungen geben.
Titus Kroder
Langfristig also noch Folgen absehbar, die man noch wenig kennt. Was dürfte sich denn strukturell ändern an dem globalen Muster des Handels? Welche Entwicklungen siehst du da?
Andreas Rees
Hier denke ich geht es vor allen Dingen um die Lieferketten Welthandel und Lieferketten. Die beiden Aspekte sind sehr eng miteinander verknüpft, denn etwa rund die Hälfte der weltweit gehandelten Güter, also zumindest bislang, kommen durch grenzüberschreitende Produktionsprozesse zustande, also internationaler Handel, aufgrund von Lieferketten und durch den stärkeren Protektionismus, den wir jetzt erleben, wird eben nochmal das verstärkt, was wir seit der Pandemie schon beobachten konnten.
Die Lieferketten werden verkürzt und sie werden in den drei großen Wirtschaftsblöcken USA, China und EU regionaler. Also die Unternehmen weltweit die investieren schon noch im Ausland wie gesagt, Fragezeichen hinter den USA erstmal. Aber insgesamt, die Unternehmen investieren im Ausland, stellen sich dann aber regional auf.
Um Störungen in ihren Lieferketten durch Zölle und geopolitische Spannungen zu vermeiden. Und das hat eben wiederum einen dämpfenden Effekt auf den Welthandel.
Titus Kroder
Nun steht noch eine entscheidende Frage im Raum, die wir hier im Marktbriefing auch immer mal wieder schon angeschnitten hatten. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die nun gerade vereinbarten Zollschranken zwischen China und USA dazu führen werden, dass chinesische Waren massiv auf den EU-Markt drängen?
Könnte das Stand heute tatsächlich so kommen, deiner Meinung nach?
Andreas Rees
Das Risiko das ist auf jeden Fall da. Die USA und China werden sich eben in ihren bilateralen Handelsströmen Und Lieferketten weiter entflechten. Das hat schon in den vergangenen Jahren stattgefunden, wird jetzt aber noch mehr an Fahrt aufnehmen.
Beide Seiten wollen das aus geopolitischen Erwägungen und die politische Rivalität spielt da natürlich eine wirklich sehr, sehr wichtige Rolle. Und durch die jüngsten Turbulenzen, die wir jetzt gesehen haben zwischen USA und China in der Handelspolitik, da wird sich die chinesische Politik in ihrer Strategie Also China will autarker werden, unabhängiger werden von den USA.
Das wird aber eben Folgen haben für die restliche Welt, insbesondere für Europa durch eine Umlenkung der Handelsströme von den USA nach Europa. Chinesische Unternehmen, die ihre Güter eben jetzt nicht mehr so leicht durch die höheren Zölle in den USA verkaufen können, Die werden sich andere Absatzmärkte suchen.
Und da liegt Europa natürlich nah sozusagen auf der Hand. Und wir haben dieses Muster schon durch Trump 1.0 gesehen. Die Marktanteile der chinesischen Unternehmen in den USA sind damals gesunken im Gegenzug in der Europäischen Union aber gestiegen. Und die Frage ist jetzt eben, wie reagiert die Europäische Union darauf?
Wenn sich die EU abschotten sollte, dann könnte aus dem Handelskonflikt USA-China entstehen Ein Handelskonflikt Europäische Union-China werden. China würde möglicherweise seinen eigenen Markt dann auch abschotten. Das wäre aber dann schlecht für die europäischen oder gerade für die deutschen Exporteure.
Also da ist erhebliches Konfliktpotenzial drin. Wir sind noch nicht so weit, aber das ist etwas, diese Umlenkung der Handelsströme aus den USA, nach Europa, durch chinesische Unternehmen. Das ist etwas, was man auf jeden Fall im Blickfeld behalten sollte.
Titus Kroder
Philipp, das Hin und Her bei den Zöllen, das hat an den Finanzmärkten seit dem 2. April ja ganz schön für Bewegung gesorgt. Haben wir die ersten Deals USA, China, hatten wir gerade analysiert. Auch mit Großbritannien haben die USA nun ein Rahmenabkommen. Auch geopolitisch scheint sich einiges zu entspannen.
Es gibt Ukraine-Verhandlungen und zum Beispiel auch einen gerade abgewendeten Konflikt Indien-Pakistan. Lass uns mal die einzelnen Märkte und deren Sicht auf die Dinge etwas analytischer betrachten. Vielleicht starten wir am Devisenmarkt. In jedem Fall hat der Dollar seitdem Liberation Day stark gegen den Euro an Wert verloren.
Was leitet sich daraus für Anleger ab, deiner Meinung nach?
Philip Gisdakis
Ja, also zunächst einmal müssen wir festhalten, dass sich die Märkte auf der Devisenseite ein wenig stabilisiert haben. Das heißt, die Volatilität ist ein bisschen zurückgekommen, aber wir haben anders als zum Beispiel bei den Aktienmärkten noch nicht wieder die, Vergleichsniveaus in den Wechselkursen zurück, die wir vor dem Liberation Day hatten.
Und was ich gerade bei den Devisenmärkten spannend finde, ist, was haben wir nicht vor dem Liberation Day darüber diskutiert, was die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik und der Handelspolitik von Trump auf die Devisenmärkte sein könnten ... und viele Meinungen gingen ja dahingehend, dass die Einführung von Zöllen seitens der USA ausgeglichen werden könnten, zumindest zum Teil durch einen stärkeren US-Dollar.
Und das ist nicht eingetreten genau das Gegenteil. Und gerade der sich sehr abschwächende Dollar war aus meiner Sicht heraus einer der, Faktoren, warum Trump dann sozusagen in das Taco-Muster gefallen ist. Wenn man sich das jetzt mal anschaut und das ist auch bemerkenswert, wenn man mal so fundamentale Devisenmodelle heranzieht, ich schaue da bei Euro-Dollar zum Beispiel ganz gerne auf die Renditedifferenz zwischen der zweijährigen US-Treasury-Rendite und der zweijährigen Bund-Rendite und wenn diese Differenz besonders groß ist, also die US-Treasury-Rendite deutlich höher als die Bund-Rendite ist, dann ist das typischerweise ein Faktor der den Euro schwächt, weil es eben aus Anlegersicht attraktiver ist, dann im US-Dollar Geld zu parken und dieses Modell hat in den letzten 4-5 Jahren seit 2020 sehr gut funktioniert.
Im Moment gibt es eine größere Abweichung, das heißt der Euro handelt gegenüber dem Dollar deutlich stärker, als diese Renditedifferenz das Anzeigen würde und das reflektiert die besondere Unsicherheit in der Wirtschaft und Finanzpolitik in den USA und damit dem Belastungsfaktor. Zuletzt sind es wieder ein paar Prozent zurückgekommen.
Aber wir sind aktuell immer noch im Euro-Dollar über 1,10 und auch wenn man jetzt auf andere Währungen guckt, da kann man zum Beispiel den sogenannten Dollar-Index also einen handelsgewichteten Dollar-Währungskorb nehmen, auch der handelt noch deutlich schwächer als im Vergleich vor dem Liberation Day.
Also da ist viel Volatilität in der Vergangenheit hat sich ein bisschen abgekühlt, aber wir sind noch nicht wieder auf die Niveaus vor dem Liberation Day zurückgekommen
Titus Kroder
US-Anleihen, die hattest du gerade angeschnitten, die kamen seit Anfang April ja auch ziemlich unter die Räder. Die Risikoaufschläge stiegen stark an und die Kurse sind entsprechend stark gefallen.
Eine durch die Trump-Politik wissentlich in Kauf genommene Rezession wurde sogar schon am Markt abgelesen Wie blicken da nun inzwischen die Investoren drauf, auch was festverzinsliche Anlagen angeht?
Philip Gisdakis
Titus, ich muss gerade ein bisschen schmunzeln, dass du hier Risikoprämie gesagt hast, denn vor dem Liberation Day hat ja niemand irgendwie gedacht, dass man bei den US Treasurers irgendwie eine Risikoprämie mitberücksichtigen musste.
Da war das ja der sichere Hafen und du hast vollkommen recht, dass du da eine Risikoprämie ins Spiel gebracht hast, denn das ist genau das, was eingetreten ist, dass kurz danach die Renditen angestiegen sind. Normalerweise in so einer Krise, selbst in den Krisen, die die USA verursacht hatten, wie zum Beispiel die globale Finanzkrise, sind die Renditen in den USA gefallen und der Dollar ist weg stärker geworden, auch wenn die Aktienmärkte stark gefallen sind, was sich für die US-Wirtschaft wie so ein automatischer Stabilisierer ausgewirkt hat.
Finanzierungen sind billiger geworden, Konsum ist günstiger geworden wegen der stärkeren Währung und das ist jetzt gerade nicht passiert. Und auch bei den Rentenmärkten ist es so, dass die aktuellen Renditen deutlich über dem Niveau noch sind als vor dem Liberation Day. Also das heißt, da hat es in den USA noch keine großartige Entspannung gegeben.
Bei den Bund-Renditen ging es ein bisschen nach unten und das war auch interessant. Das heißt, in dieser Krise haben die globalen Investoren deutsche Bundesanleihen als den sicheren Hafen angesehen und das hat Zuflüsse gegeben in deutsche Staatsanleihen gegeben, um sich gegenüber den Unsicherheiten am Kapitalmarkt abzusichern.
Mittlerweile sind die Renditen in den USA ein Stückchen wieder zurückgekommen Auch da hat es eine Stabilisierung gegeben, aber genauso wie am Devisenmarkt, die Niveaus nicht wieder auf das Niveau vor dem 2. April zurück, sondern immer noch deutlich höher.
Titus Kroder
Jetzt fehlt uns noch der Blick auf den Aktienmarkt.
Der hat sich, das kann man ja schon sagen, noch am besten berappelt von dem initialen Zollschock überraschend schnelle Erholung nach einem ziemlichen Einbruch. Das Ganze hat mich an den Corona-Crash vom Frühjahr 2020 erinnert, der ja auch erstaunlich schnell wieder aufgeholt wurde. Wie sind Aktieninvestoren denn derzeit gestimmt in dieser komplexen globalen Gemengelage und nach dem China-Deal?
Philip Gisdakis
Das ist interessant. Du hast es auch gerade gesagt, von dem Dreiklang Aktienmarkt, Rentenmarkt, Devisenmarkt für die USA ist der Aktienmarkt in den USA der Einzige, der wieder auf Vor-Krisen-Start-Niveau zurückgekommen ist. Und das liegt eben daran, dass, wie Andreas das auch dargelegt hat, einige der Aktien, sage ich mal, größten Merkwürdigkeiten nenne ich das jetzt mal so, zurückgenommen wurden, die eben Belastungsfaktoren für die amerikanischen Aktienmärkte waren.
Und dieses Herauspreisen dieser extremen Ausgestaltung der Handelspolitik, diese extrem hohen Zölle, das hat jetzt die Stimmung unterstützt. Es gab noch eine Reihe von anderen Unterstützern Faktoren in dem geopolitischen, geostrategischen Bereich und das hat dazu geführt, dass die Stimmung ein bisschen besser geworden ist.
Allerdings finde ich es schon bemerkenswert, Dass nur die Aktienmärkte auf das, wenn ich es mal so nennen darf, Ausgangsniveau wieder zurückgekommen sind. In den Renten und Devisenmärkten gerade im US-Dollar, ist das noch nicht der Fall. Und das zeigt schon auch, dass die Entspannung die man an den Aktienmärkten sehen kann, nicht überall angekommen ist.
Und aus meiner Sicht heraus ist das auch ein interessantes Anzeichen dafür, dass möglicherweise auch noch nicht alles wieder gut ist und auch am Aktienmarkt durchaus noch mal Volatilität kommen kann.
Titus Kroder
Die Aktienmärkte also wieder auf der Nulllinie angekommen vor dem Liberation Day. Heißt das denn, dass das aktuelle Zollgezerre nun praktisch schon Schnee von gestern ist für die Aktienmärkte?
Was dürfte die kommenden Monate noch bringen?
Philip Gisdakis
Das glaube ich nicht. Andreas hat es schön dargelegt, wir sind zwar von den Extremniveaus der Zölle wieder zurück, aber immer noch deutlich vom Zollniveau her über dem Ausgangszollniveau und das wird weitergehen. Die wirtschaftlichen Folgen für die USA und für die Weltwirtschaft haben, die aktuell nicht eingepreist sind oder zumindest in den Kursen nicht vollumfänglich reflektiert sind.
Was ist so ein bisschen das Szenario, was der Aktienmarkt im Moment gerade reflektiert? Wenn man sich aktuell mal… die fundamentalen Faktoren anschaut, also die Gewinnentwicklung, dann sieht man, dass die Gewinnerwartungen für das Jahr 2025 runterrevidiert wurden, sowohl für die USA als auch für Europa und für einige andere Regionen auch.
Übrigens für Europa relativ gesehen stärker als für die USA. Und was interessant ist, ist, dass die Gewinnrevisionen für das Jahr 2025 jeweils in den Ländern führend waren. Also die haben die Bewegung angeführt und es sind auch die Gewinnerwartungen für die Jahre 26 und 27 nach unten revidiert worden, aber um das gleiche Maß, wie das Jahr 2025.
Das heißt, der relative Abstand in den Gewinnerwartungen für die Jahre 2025, 2026 und 2027 ist gleichgeblieben. Und daraus kann man etwas Interessantes ableiten. Nämlich dass der Markt sagt, dieses Ereignis Das hat jetzt die fundamentale Situation für das aktuelle Jahr beeinträchtigt Aber für die kommenden Jahre sehen die Gewinnwachstumserwartungen mehr oder weniger unverändert aus.
Und wenn sich das so einstellt, dass das Jahr 2025 halt ein schwieriges Jahr aufgrund dieser Soll-Schocks gewesen ist aber 26 und 27 sie so entwickelt, wie das ursprünglich mal vom Jahresgewinnwachstum erwartet wurde, Jahr. Dann sollte das für die Märkte kein großes Problem sein und dann sollte man auch so ab dem Sommer sehen, dass die rollierenden 12-Monats-Gewinnerwartungen, die ja die Basis für viele Parameter wie zum Beispiel das Kursgewinnverhältnis sind, dass sich das wieder nach oben entspannt.
Aber da ist eben wichtig, die Erwartung dieser Zollschock im Wesentlichen die Wirtschaft des Jahres 2025 beeinträchtigt. Wenn man aber jetzt mal auf die Schätzungen der Ökonomen-Kollegen vom Andreas guckt und nicht nur seinen Unikredit Kollegen, sondern auch den von anderen Häusern, dann sieht man schon, dass die auch anfangen die Wachstumserwartungen für das Jahr 26 ein bisschen runter zu revidieren und das, wenn das noch stärker kommt, im Moment ist das sehr, sehr vorsichtig, dann könnte man erwarten, dass eben auch die Wachstumsraten im Jahr 26 für die Gewinne ein bisschen zurückkommen, was dann auch noch mal die Märkte ein bisschen belasten könnte und für Volatilität also zumindest für kurzfristige Schwankungen, könnte sorgen, dass, wie gesagt, Die harten Zahlen in Inflation, in Industrieproduktion, in vielen anderen Faktoren ja im Moment noch nicht sichtbar ist und dass das vermutlich diese Auswirkungen erst in den kommenden Monaten sichtbar sein werden und wenn dann da negative Überraschungen in diesen harten Zahlen kommen, könnte es sein, dass das auch nochmal für temporären Druck auf den Aktienmärkten sorgt und damit für etwas Volatilität.
Titus Kroder
Abschließend gefragt, wie steuert ihr euer Portfolio bei der HVB durch diese aktuell noch nicht so ganz klare Lage? Gebt uns da mal einen möglichst knappen Überblick darüber, wie ihr da entscheidet und welche Akzente ihr setzt?
Philip Gisdakis
Also beim US-Dollar sind wir aktuell ein bisschen vorsichtig.
Währungsmanagement machen wir fast ausschließlich auf der festverzinslichen Seite. Auf der Aktienseite gucken wir uns die Währungsverteilung nicht wirklich fokussiert an. Was bedeutet das auf der Anleihen Seite würden wir eine Dollarstärke zur Reduktion nützen, also sowas wie Sell into Strength machen?
Bei den US Treasuries, wir sind gerade dabei, die Duration kürzer zu machen, weil wir uns vorstellen könnten, dass da noch negative Überraschungen bezüglich Inflation kommen könnten und wie schnell die, Zentralbank die Zinsen dann senken kann, deswegen etwas kürzere Duration. In der festverzinslichen Seite konzentrieren wir uns eher auf Euro-Anleihen und insbesondere im Euro auf sogenannte Carry-Strategien, also Spread-Produkte wie Unternehmensanleihen möglicherweise aber auch im außereuropäischen Markt.
Schwellenländeranleihen scheinen mir da interessant zu sein und übrigens da eher die in den lokalen Währungen als Wir wollen, ja eher US-Dollar ein bisschen reduzieren. Auf der Aktienseite immer noch defensiv, aber wir sind übrigens nach wie vor relativ stark in den Wachstumssektoren auch in den USA im Portfolio investiert und haben aktuell nicht vor, Das zu reduzieren.
Das Aktiengewichtsteuern war aktiv. Wir haben es ein bisschen runtergenommen. Vor dem April haben sie jetzt Mitte April in die Schwäche hinein ein bisschen angehoben und würden jetzt, wenn die Aktienmärkte Deutlich weiter performen auch wieder reduzieren. Also das heißt zum Beispiel in einer 50-50-Strategie, wenn da das Portfolio aufgrund der Aktiengewinne auf 52, 53 Prozent geht, dann würden wir es wieder auf 50% also dem Benchmark-Gewicht zurück re-balancen so nennt man das, also reduzieren so ein bisschen Gewinne mitnehmen.
Übrigens Gewinne mitnehmen, das würden wir auch beim Gold machen, etwas reduzieren Gewinnmitnahme nehmen, aber immer noch im Übergewicht lassen und ganz zum Schluss reduzieren Die Aktienquote fahren wir nach wie vor im Großen und Ganzen neutral. Wir haben keine prononcierte Länderallokation. Also auf der Länderallokation sind wir mehr oder weniger im neutralen Bereich.
Bei der Branchenallokation immer noch eher in defensive Branchen investiert.
Titus Kroder
Des momentanen Waffenstillstands beim Thema Zölle zwischen den zwei größten Wirtschaftsmächten der Erde unberechenbar bleiben. Zu viel Vorläufigkeit ist da noch im Spiel, zu viel Möglichkeit für Taco, für weitere schwer einschätzbare Manöver des US-Präsidenten abwarten und genau beobachten.
Was passiert, ist also die Empfehlung – zum Beispiel, indem Sie das HVB-Marktbriefing hören.
Danke an Andreas Rees und Philip Gisdakis.
Wir bleiben weiter eng am Puls der Entwicklung und wir melden uns wieder regulär mit dem nächsten Podcast ab dem 2. Juni. Zwischendrin gibt es noch eine Sonderfolge zum Thema Zinsen, die mein Kollege Nikolaus Barth moderieren wird.
markt-briefing@unicredit.de lautet die E-Mail-Adresse für Kommentare und Hinweise.
Es verabschieden sich Andreas Rees, Philip Gisdakis und Titus Kroder
Machen Sie es gut!