Grüne Abkühlung: bremst das politische Klima die Nachhaltigkeit? +++ Wasserkrise: Gefahr für die Wirtschaft?
Prof. Karen Pittel:
Von Yangtze bis Indus wenn man sich den Indus alleine anschaut, dann sind diese Gletscher-Schmelzwasser fast 40 Prozent des Gesamtabflusses des Indus. Da kann man sich vorstellen, wenn das sinkt oder zum Teil versiegt dann hat das natürlich auch für die dortige Landwirtschaft, natürlich aber auch für die Menschen, die dort leben, massive Konsequenzen.
Philip Gisdakis:
Generell muss ich sagen, dass ich gar nicht bestätigen kann, dass das Thema Nachhaltigkeit insgesamt zurückgeht. Bei uns ist es immer noch so, dass deutlich mehr als 50 Prozent unseres Assets under Management in nachhaltigen Strategien verwaltet wird, fast 60 Prozent und da sieht man, dass das Interesse nach wie vor groß ist.
Titus Kroder: Hallo und herzlich willkommen zum HVB Markt-Briefing kurz vor der Sommerpause. Das Klima wandelt sich, das können wir inzwischen rund um den Erdball feststellen. Auch bei uns nehmen Hitzetage und ungewöhnlich starke Regengüsse zu, Extremwetter sind die typischen Begleiter des Klimawandels. Und so wird das Thema Wasser einen besonderen Schwerpunkt heute bei uns im Podcast einnehmen.
Gedacht ist diese Episode allerdings als Bestandsaufnahme, denn es gibt auch einen gesellschaftlichen Klimawandel. Nachhaltiges Wirtschaften scheint nicht mehr so hohe Priorität, zumindest auf der politischen Agenda, zu genießen. Und vor diesem Hintergrund analysieren wir, wie sich die aktuellen wirtschaftlichen Turbulenzen rund um Handelszölle und Geopolitik auf das Nachhaltigkeitsprogramm auswirken, auf das sich noch vor kurzem die Welt verständigt hatte.
Eine prominente Expertin haben wir dazu im Gespräch: Karin Pittel war bereits einmal im Markt-Briefing mit dabei. Sie ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, sie ist Leiterin des Zentrums für Klima, Energie und Ressourcen des Ifo-Instituts in München, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen.
Willkommen im Markt-Briefing, Frau Dr. Pittel. Es ist schön, wieder mit Ihnen zu sprechen.
Prof. Karen Pittel: Ich freue mich auch, wieder hier zu sein.
Titus Kroder: Nachhaltige Finanzanlagen waren ein Boom-Sektor – bis vor kurzem, muss man sagen. Ob und wann wir vielleicht wieder ein grünes Revival am Kapitalmarkt sehen werden – unter anderem dies wird uns Philipp Gisdakis sagen, Chief Investment Officer der HypoVereinsbank.
Hallo Philipp.
Philip Gisdakis: Hallo, ich freue mich, wieder dabei zu sein.
Titus Kroder: Frau Professor Pittel, als forschende Ökonomin sind Sie auf das beherrschende Thema unserer Zeit ausgerichtet – die Frage nämlich, wie wir es wirtschaftlich hinbekommen können, die Belastungsgrenzen des Planeten langfristig bei Ressourcenverbrauch und Produktionsweisen nicht zu überschreiten.
Jetzt lässt derzeit an vielen Stellen der Elan bei der grünen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft nach. Die USA sind aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. In Deutschland wird das Heizungsgesetz abgeschafft. Die EU-Kommission weicht die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf. Nachhaltigkeit hat derzeit deutlich weniger Freunde als noch vor kurzem.
Und nun ist noch ein weltweiter Handelskrieg hinzugekommen. Wie wirkt sich denn das noch zusätzlich negativ auf die grüne Transformation aus, die ja eigentlich schon auf einem recht guten Weg war?
Prof. Karen Pittel: Also, es kann Pro und Contra haben. Pro wäre in der Hinsicht, dass es möglicherweise die globale Konjunktur reduziert und potenziell auch zu einer Rezession führt. Das heißt natürlich: einfach weniger Produktion, weniger Konsum und damit auch weniger Emissionen. Aber es ist natürlich immer noch die gleiche Technologie, die wir verwenden, und wenn wir da mal rauskommen, haben wir das gleiche Problem wie vorher.
Das heißt also, das wären sehr kurzfristige positive Effekte. Negativ ist natürlich schon, dass auch zu Zeiten eines globalen Handelskrieges, wo wir möglicherweise eine schlechtere Konjunktur haben, einfach auch weniger Mittel zur Verfügung stehen – zum Beispiel für Investitionen in Klimaschutz –, sodass auch Firmen vielleicht eher bereit sind, wieder in alte Technologien zu investieren, um da die größtmöglichen Profite auch rauszuholen.
Auch natürlich, die Politik ist dann etwas zögerlich, noch weitere, möglicherweise restriktive Regularien einzuführen. Der eine Effekt ist jetzt so mittel- bis langfristig tatsächlich auch die Rolle fossiler Energiemärkte, weil zu Zeiten globaler Handelskonflikte usw. kann das natürlich auch dazu führen, dass Lieferketten unterbrochen werden usw. Also das könnte potenziell zum Anstieg führen – auch wenn wir momentan das Gegenteil bei der Entwicklung des Ölpreises beobachten.
Titus Kroder: Noch mal vielleicht zur Erinnerung: über welche Investitionssummen sprechen wir da, wenn wir die globale Wirtschaft nachhaltig gestalten wollen? Und wo fehlt nun, da die Nachhaltigkeit vielerorts politisch runtergestuft wird, wieviel Budget, das man eigentlich bräuchte? Wichtig natürlich auch: wie wirkt sich das auf das globale Wachstum aus? Kann man da was sagen?
Prof. Karen Pittel: Solche Schätzungen sind natürlich immer schwer, vor allem auf globaler Ebene. Es gibt Schätzungen, die davon ausgehen, dass man bis zu quasi 5 Billionen tatsächlich jährlich investieren müsste, um Klimaneutralität um die Jahrhundertwende zu erreichen.
Das ist natürlich eine massive Summe. Und je länger wir das aufschieben, desto stärker konzentriert sich das quasi auch noch. Das heißt also, in allen Bereichen, in denen wir jetzt zu wenig oder weniger investieren, das ist erstmal potenziell schädlich. Aber besonders betroffen werden vermutlich die Bereiche sein, wo einfach die Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Technologieentwicklung, des Standorts, wo produziert wird, noch unsicher sind.
Das sind zum Beispiel Bereiche in der Industrie, die schwer und teuer dekarbonisierbar sind. Werden die zukünftig hier arbeiten? Mit welcher Technologie werden die zukünftig arbeiten? Aber natürlich auch so etwas wie Infrastrukturinvestitionen, ob das jetzt Wasserstoffnetze sind, Stromnetze, Wärmenetze, CO2-Netze.
Das heißt also, das ist ja alles Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt dekarbonisieren können. Und auch da werden vermutlich, trotz des massiven Investitionsschubs, der jetzt ausgelöst werden soll, zu wenig Mittel zur Verfügung stehen.
Wenn man jetzt davon ausgeht, dass in vielen Fällen – nicht in allen, aber in vielen – die quasi alternativen und saubereren Technologien noch teurer sind und viel investiert werden muss, dann kann das durchaus erstmal kurzfristig zum positiven Effekt auf das Wachstum führen. Aber langfristig, wo dann eben die Umstellung auch erfolgen muss und wir damit möglicherweise auch quasi Führungsrollen in innovativen neuen Technologien aufgeben, kann das durchaus auch substanzielle negative Wachstumseffekte haben.
Titus Kroder: Wie schätzen Sie denn die Auswirkungen der neuen Regierung im März auf den Nachhaltigkeitstrend ein? Es werden da Milliarden geschöpft, es werden Sondervermögen und Investitionsbooster in astronomischer Höhe aufgelegt. Es gibt einen speziellen Klimatransformationsfonds für grüne Investitionen. Wie viel von all diesen Mitteln kommt denn der nachhaltigen Transformation schließlich zugute? Und sind hier aus Ihrer fachlichen Sicht die Gewichte und Prioritäten eigentlich richtig gesetzt?
Prof. Karen Pittel: Ja, der Klimatransformationsfonds soll dieses Jahr ungefähr 25 Milliarden umfassen – also ist weit weniger als letztes Jahr, weil man die Rücklagen fast aufgebraucht hat.
Hinzu kommen dann ungefähr 10 Milliarden pro Jahr nach aktuellen Plänen für die Klimatransformation aus dem Sondervermögen, also 100 Milliarden insgesamt. Es ist natürlich so, dass gleichzeitig auch von der Regierung Merz angedacht wird, bestimmte zusätzliche Ausgaben oder weniger Mindereinnahmen über den Klimatransformationsfonds zu finanzieren. Also zum Beispiel Reduktion der Stromsteuer oder auch der Wegfall der Gasspeicherumlage. Beides zusammen kann allein schon sechs, sieben Milliarden ausmachen.
Das heißt, man sieht also: Wenn das quasi zusätzlich finanziert werden soll, dann werden potenziell auch Investitionen aus dem KTF in das Sondervermögen verdrängt, sodass im Endeffekt dann der zusätzliche Investitionsbooster aus dem Sondervermögen im Bereich Klima voraussichtlich nicht besonders hoch sein wird.
Und das ist natürlich besonders dramatisch, wenn man sich dann wiederum die Zahlen anschaut, wie viel eigentlich in den nächsten Jahren in nachhaltige Technologien, Infrastruktur etc. investiert werden müsste.
Titus Kroder: Könnte man also durchaus noch besser gestalten. Philipp, sind denn diese kommenden Investitionsmilliarden schon als Investmentstrategie am Kapitalmarkt angekommen – vor allem diejenigen, die in grüne Investitionen laufen sollen, die mehr Nachhaltigkeit erzeugen sollen?
Philip Gisdakis: Am Kapitalmarkt sind die Ideen natürlich schon angekommen, und da sieht man auch, dass Aktien von Unternehmen, von denen man erwartet, dass sie von den Investitionsaktivitäten profitieren werden, im Kurs gestiegen sind – zum Teil deutlich. Auch wenn die echten Zahlen das noch nicht hergeben und die echten Zahlen und die Aufträge tatsächlich doch lange brauchen werden, bis sie kommen.
Also wir gehen jetzt nicht davon aus, dass man tatsächlich echte Effekte – ich sage jetzt mal – vor dem zweiten Halbjahr 2026 sehen wird, denn Projekte müssen ja erstmal geplant und genehmigt werden und dann brauchen wir Kapazitäten, um diese Projekte umzusetzen.
Dabei ist übrigens auch wichtig, dass das Versprechen auf Investitionen langfristig orientiert ist. Denn aktuell haben wir ja einen gehörigen Kapazitätsengpass, überhaupt solche Projekte buchstäblich auf die Straße zu bekommen, weil die Produktions- oder Herstellungskapazitäten nicht da sind und Unternehmen natürlich auch zurückhaltend reagieren würden, solche Kapazitäten aufzubauen, wenn das jetzt ein kurzer Effekt wäre. Deswegen ist es wichtig, dass dieses Versprechen da ist, dass diese Investitionen auch 10, 12 Jahre in die Zukunft reichen werden, damit eben Unternehmen darauf reagieren können und entsprechend Kapazitäten aufbauen.
Das Zweite, was wichtig ist – unabhängig von der grünen Transformation –, ist, dass wir einen ganz erheblichen Rückstau haben in Deutschland. Man kann das sehen, wenn man sich so Indikatoren wie – es nennt sich die Bruttoanlageninvestition – anschaut. Also das, was insgesamt an Anlagenausrüstungsgegenständen – also sozusagen Fixed Assets – investiert wird, was Unternehmen eben investieren.
Das liegt in Deutschland nicht nur in den letzten fünf Jahren hinter dem europäischen Durchschnitt, sondern ist auch insgesamt gesunken. Also es ist ein großer Bedarf da, und die Märkte rechnen damit auch schon. Aber es wird dauern, bis das angekommen ist – und wie gesagt: Wir rechnen nicht vor dem zweiten Halbjahr 2026, bevor dann tatsächlich sich so etwas in Zahlen bei Unternehmen bemerkbar machen wird.
Titus Kroder: Wie ist das denn ganz allgemein an den Anlagemärkten? Wie sehr hat sich da der Enthusiasmus abgekühlt in Sachen nachhaltige Investments? Was denken da deine Kunden, und was muss eigentlich passieren, dass das Interesse wieder anspringt – wie man das ja zum Beispiel in den Jahren vor der Pandemie sah?
Philip Gisdakis: Ja, Euphorie bezüglich nachhaltigen Investments hat sich ja unter anderem dadurch abgekühlt, dass wir vor zwei, drei Jahren eine Krise hatten, die insbesondere die nachhaltigen Investmentgegenstände am Kapitalmarkt betroffen haben, weil da eben Öl- und Gasunternehmen outperformt haben.
Und da ist dann vielen Anlegerinnen und Anlegern bewusst geworden, dass eben so eine fokussierte Strategie auch Nachteile haben kann – dass man da also auch mal über einen längeren Zeitraum eine Durststrecke hat.
Und dann kommt mit hinzu, dass sich die Überlegungen bezüglich Nachhaltigkeit bei den Anlegerinnen und Anlegern verändern. Wir bekommen also vermehrt Fragen, zum Beispiel, warum denn Verteidigungstechnologie ausgeschlossen sein sollte. Und das hat natürlich ethisch-moralische Gründe.
Das hat auch Gründe, dass der Rahmen bezüglich dem nachhaltigen Investieren sehr stark auch von weltanschaulichen Investoren sozusagen getrieben wurde – also in Deutschland insbesondere von den Kirchen, die dann eben solche Investments ausgeschlossen haben. Und das wird häufig hinterfragt, ob es denn nicht auch gesellschaftlich nachhaltig wäre, wenn man eben in die Verteidigungsfähigkeit investieren kann.
Und da solche Themen häufig in nachhaltigen Investments auftreten und ausgeschlossen sind, ist dieser Boom, den wir jetzt im Moment gerade in diesem Segment sehen – Verteidigungstechnologie – auch daran vorbeigegangen.
Aus meiner persönlichen Sicht: Beim nachhaltigen Investieren spielen diese ethisch-moralischen Ansprüche immer noch eine große Rolle. Und die Schwierigkeit besteht darin, dass ich die Meinung teile, dass es durchaus nachhaltig ist, dass wir unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung verteidigen wollen. Das Problem ist nur: Bei den Verteidigungsgütern ist es eben nicht ganz klar, wo die dann landen und wer die dann entsprechend anwendet – und da kann ja ein großer Unterschied sein. Deswegen schließen wir nach wie vor solche Güter bei unseren nachhaltigen Investitionen aus, und wir schließen übrigens sogenannte kontroverse Waffen insgesamt aus.
Ich muss sagen, dass ich gar nicht bestätigen kann, dass das Thema Nachhaltigkeit insgesamt zurückgeht. Bei uns ist es immer noch so, dass deutlich mehr als 50 Prozent unseres Asset under Management in nachhaltigen Strategien verwaltet wird – also fast 60 Prozent. Und da sieht man, dass das Interesse nach wie vor groß ist.
Titus Kroder: Kommen wir nochmal auf das Thema USA zurück, weil die USA als größte Volkswirtschaft der Welt natürlich auch den Rest der Welt stark beim Thema Nachhaltigkeit beeinflussen. Die neue Regierung Trump pusht fossile Geschäftsmodelle massiv – also Geschäftsmodelle mit CO₂-Technologien. Von den Wirkungen des Inflation Reduction Act spricht kaum noch jemand. Das ist dieses große, viele Milliarden umfassende grüne Transformationsprogramm der Vorgängerregierung Joe Biden.
Frau Pittel, was ist denn von diesem Programm noch übrig, und stößt das noch in irgendeiner Weise den grünen Wandel der Wirtschaft an?
Prof. Karen Pittel: Es ist schon sehr viel zurückgenommen worden. Also, man hatte ja angenommen, dass es vielleicht nicht so sehr gerupft wird – einfach deswegen auch, weil viele der Investitionen in Bundesstaaten mit republikanischen Mehrheiten dann auch getätigt wurden.
Aber wenn man sich anschaut, was so in den letzten Monaten – auch gerade in der sogenannten „Big and Beautiful Bill“ – enthalten war, dann sind da schon sehr viele klima- und energiebezogene Förderungen, die zurückgenommen wurden.
Ob das jetzt Zuschüsse sind für Elektrofahrzeuge oder eben auch die Abschmelzung von Steuervergünstigungen für Investitionen in Wind-, in Solar-, teilweise auch Geothermie. Luftverschmutzungsprogramme zur Reduktion der Luftverschmutzung sind zurückgefahren worden. Ich meine, das ist teilweise schon fast schwierig zu überschauen, weil diese „Big and Beautiful Bill“ einfach unglaublich lang ist.
Aber die Befürchtungen aus deutscher und US-amerikanischer Sicht – vielleicht auch in der längerfristigen Perspektive – könnten durchaus sein, dass die Investitionen in nachhaltige Technologien auch zurückgefahren werden, was dann wiederum natürlich auch Chancen bietet. Für zum Beispiel China oder auch für die EU, wo man ja sehr stark auch befürchtet hat, dass eben Investitionen dann in den USA getätigt werden und nicht unbedingt in China – in Europa zum Beispiel.
Das heißt also, für die Innovation, für das Ausrollen der Technologien hier kann das für Deutschland durchaus auch positive Effekte haben.
Ich bin noch etwas skeptisch, inwieweit sein Booster für fossile Technologien – also auch im Sinne davon, dass auf Bundesland-, föderaler Ebene zum Beispiel gefördert werden darf – ob das wirklich so viel bringen wird. Man hat in der letzten Amtszeit gesehen, dass da nicht sehr viel von übrig geblieben ist, auch von seinem quasi Push wieder zurück in die Kohle.
Hier ist es jetzt natürlich auch Öl und Gas, die sehr stark im Vordergrund stehen. Aber das hängt natürlich sehr stark auch damit zusammen, welche Erwartungen Investoren, Anleger, Bürger für die langfristige Entwicklung haben. Gehen die davon aus, dass es nach vier Jahren eigentlich so weitergeht? Oder gehen die davon aus, dass es nach vier Jahren wieder zu einem Rollback des Rollback kommt?
Und das ist natürlich noch relativ schwierig abzusehen.
Titus Kroder: Einen Blick sollten wir auch aktuell auf den Ölpreis werfen, denn da sind interessante Entwicklungen im Gange. Der Ölpreis ist ja ein wichtiger Faktor bei der nachhaltigen Transformation. Da werden jetzt derzeit die fossilen Technologien von Trump stark gepusht, und der Ölpreis ist in den ersten Monaten seiner Amtszeit um 20 Prozent gefallen.
Wie ist das denn zu erklären? Man hätte ja eigentlich das Gegenteil erwarten können.
Prof. Karen Pittel: Naja, ich meine, die Unberechenbarkeit der US-Handelspolitik und eben die Auswirkungen auf die globale Konjunktur spielen da natürlich durchaus eine Rolle. Und ich meine: Langfristig, wenn es dazu kommen würde, dass mehr Erdöl in den USA gefördert würde, würde das natürlich auch einen negativen Effekt auf den Preis haben – einfach, weil das Angebot ansteigen würde.
Aber es ist jetzt noch nicht zu beobachten, dass – wie er ja im Prinzip auch immer das prognostiziert hat – dass es zu mehr Wachstum kommt, dass es dadurch eben höhere Nachfrage und einen höheren Preis auch geben wird.
Gleichzeitig haben wir natürlich gesehen: So zwischendurch ging der Preis nochmal hoch, als dann der Konflikt zwischen Iran, Israel und USA schwelte – Diskussionen um die Straße von Hormus usw. Aber seitdem ist es auch wieder massiv zurückgegangen, und auch die EU-Sanktionen, die strikteren, die ja in der letzten Woche beschlossen wurden, haben hier eigentlich keine Trendwende bewirkt.
Titus Kroder: Philipp, wie sieht man das am Kapitalmarkt – der Ölpreis in dieser überraschenden Entwicklung?
Philip Gisdakis: Wenn man die Ölpreisentwicklung aus Kapitalmarktgesichtspunkten analysiert, ist immer die Frage dahinter: Was treibt einen Ölpreis – Angebot oder Nachfrage?
Ein schwacher Ölpreis aus Nachfragegesichtspunkten, also sinkender Nachfrage, zeigt immer ein Konjunkturrisiko an.
Für Europa wichtig ist im Moment, ja gerade so ein bisschen dieses Thema Inflation, und da ist eben zu sagen: Der letzte große energiegetriebene Inflationsschub, den wir zu Beginn des Ukraine-Krieges hatten, war nicht nur ölpreisgetrieben, sondern eben auch aufgrund der Schwäche des Euros.
Wir hatten also einen hohen Ölpreis – über 100 Dollar. Den hatten wir aber in den Jahrzehnten davor immer wieder mal, ohne dass wir eine große Krise hatten. In diesem Fall war es eben aber auch so, dass dieser hohe Ölpreis bei einem sehr schwachen Euro um die Parität zum Dollar stattgefunden hat.
Und im Moment haben wir jetzt eine Euro-Stärke, und deswegen spielen diese Themen keine besonders große Rolle. Und für Europa gilt natürlich auch: Bis auf ganz wenige europäische Länder – also Norwegen und Schottland – sind wir ja Öl importierende und nicht Öl exportierende Länder.
Das heißt, wir profitieren wirtschaftlich von einem niedrigen Ölpreis. Also das ist eher im Moment gerade eine Frage der Inflationsdynamik. Und die spielt gerade bei dem starken Euro keine so große Rolle.
Nebenbei bemerkt – möglicherweise sogar das Gegenteil: Wir haben das ja von der EZB schon gehört, dass sie sich ein bisschen Sorgen macht, dass der Euro-Dollar zu stark werden könnte und wir dann zu stark Desinflation importieren.
Titus Kroder:
Wir sollten auch noch auf das Thema China zu sprechen kommen. Das Land spielt ja beim Thema Nachhaltigkeit eine herausragende Rolle, kann man schon fast sagen. Einerseits ist China der größte Verursacher von CO₂ weltweit, nämlich mit 30 Prozent Anteil. Gleichzeitig ist China der Weltmarktführer bei Technologien für die erneuerbare Energiegewinnung.
Und nun ist das Land auch noch in einen heftigen Handelskonflikt mit den USA verstrickt. Wie könnte sich das denn künftig ökonomisch auswirken, Frau Professor Pittel? Was gibt es da zu berichten?
Prof. Karen Pittel:
Es ist schwer absehbar, wie sich die Dynamik in China jetzt hinsichtlich der Technologieentwicklung in dem Bereich auch entwickeln wird.
Historisch ist sehr viel da investiert und auch subventioniert worden. Massive Produktionskapazitäten wurden aufgebaut, aber eben auch immer wieder neue Technologien in einem Tempo entwickelt und skaliert, das teilweise für Europäer noch schwer nachvollziehbar ist.
Wir hatten im letzten Jahr zum Beispiel eine Konferenz gemeinsam mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Da wurden – ob es im Batteriebereich oder in anderen Bereichen war – Entwicklungen vorgestellt, die quasi vom ursprünglichen Reißbrett-Stadium sehr schnell in massive Investitionen und große Skalierung gebracht wurden. Das ist in Europa sehr schwer, selber auch so umzusetzen. Das hat natürlich auch dazu geführt, dass gleichzeitig in diesen Bereichen teilweise Überkapazitäten aufgebaut wurden. Ich meine, jetzt geht es massiv durch die Presse im Kontext der Elektromobilität. Das kann durchaus auch noch andere Bereiche treffen.
Und je schwieriger China es hat, in gewisse Weltregionen zu exportieren, desto mehr wird man sich natürlich den Regionen zuwenden, in die es noch verhältnismäßig einfacher ist. Nun hat Europa natürlich auch schon den Import von Elektrofahrzeugen aus China einem Zoll unterworfen. Das hemmt es natürlich ein bisschen.
Aber auch im Kontext anderer Güter – speziell eben auch an Nachhaltigkeitstechnologien – kann es potenziell noch zum Preisverfall führen. Was natürlich gut für die Verbreitung dieser Technologien ist, aus dem Klimastandpunkt, aber schlecht für den Standort Deutschland.
Das ist so das eine Thema: die Technologien, die Innovation, die Dynamik davon.
Das andere Thema ist natürlich auch diese grundsätzliche Abhängigkeit, die wir haben hinsichtlich Rohstoffen aus China – also Elektro, seltene Erden nur als ein Beispiel davon. Und da haben wir ja auch gesehen, dass im Zuge des Handelskonflikts in China auch nochmal ein aufmerksamer Blick drauf geworfen wurde – also hinsichtlich der USA, aber potenziell eben dann auch global.
Und diese Abhängigkeiten werden ja auch von der EU versucht zu adressieren, aber sie sind eben potenziell eine Engstelle für die Entwicklung in Europa.
Titus Kroder:
Kommen wir noch zu unserem angekündigten Schwerpunktthema. „Wasser in einer aufgeheizten Welt“ ist die Analyse betitelt, die Sie im Rahmen des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung mit verfasst haben. Die ist, glaube ich, gerade erst erschienen.
Wir alle brauchen Wasser jeden Tag, gerade wenn es nun immer heißer wird. Und in dieser Analyse, die wir verlinkt haben, wird über die Risiken gesprochen, wenn der Wasserkreislauf der Erde nicht mehr so abläuft wie bisher – wenn es also Dürren und Flutereignisse gibt.
Wie kann man diese Risiken für Wirtschaft und Wachstum denn zusammenfassen, und was sind die Forderungen des Beirats bei diesem Thema?
Prof. Karen Pittel:
Zusammenfassend ist es so umfassend, dass das schon fast wieder schwierig wird.
Also das Erste, woran man natürlich denkt und was auch einen Großteil des Wasserverbrauchs ausmacht – also im wirtschaftlichen Bereich – ist die Landwirtschaft. Dürren und Überschwemmungen sind natürlich hier nicht nur in Deutschland, auch wenn wir es hier auch schon erleben, sondern auch in vielen anderen Weltregionen ein massives Problem, das natürlich auch dann nach Deutschland importiert wird.
Wir importieren ja auch viele landwirtschaftliche Produkte aus anderen Ländern. Das wird immer so schön bezeichnet als „virtuelles Wasser“ – also das Wasser, das in diesen Produkten enthalten ist. Und diese Handelsketten geraten natürlich teilweise auch unter Druck.
Es ist teilweise auch für Unternehmen relativ schwer abschätzbar, wie sich die Entwicklung da in der Zukunft gestalten wird – gerade da wir auch viel importieren aus Ländern, bei denen der Wasserdruck schon sehr hoch ist.
Ein anderer Aspekt ist zum Beispiel die Unterbrechung von Lieferketten – einfach aufgrund von Hochwasser, aber eben auch Niedrigwasser. Das heißt also: Flüsse, die zum Beispiel nicht genügend Wasser führen, aber eben auch im Kontext wiederum von Hochwasser – Zerstörung von Infrastruktur.
Wir haben zum Beispiel eine Umfrage gemacht bei Unternehmen hier in Oberbayern, wo ja Extremwetterereignisse durchaus auch eine Rolle spielen. Da war weniger die Angst um die Produktion, als die Angst um quasi die öffentliche Infrastruktur, die die Unternehmen beschäftigt hat.
Dann haben wir natürlich aber noch andere Aspekte, wie zum Beispiel Wasserverschmutzung, die dann bei weniger Wasser potenziell auch noch konzentrierter wird. Aber eben auch wirklich ganze Regionen, die potenziell unter Wasserarmut leiden werden.
Wir haben in unserem Gutachten das vielleicht wenig bekannte, aber doch größte Beispiel weltweit gebracht – wenn man so möchte – und das ist fast ganz Asien. Also die Region, in der Himalaya, Hindukusch und Karakorum-Gebirge massive Wasserspeicher darstellen. Und natürlich die ökonomische Entwicklung, die soziale Entwicklung, steigende Bevölkerungszahlen – das Wasser, was dort ist und was potenziell weniger wird, wird auch übernutzt. Da kommt die Übernutzung von Grundwasser noch obendrauf, die Übernutzung von fossilen Wasserspeichern – also Wasserspeicher, die sich nicht einfach jedes Jahr wieder auffüllen.
Und da sind potenziell massive Einschränkungen in der Zukunft zu erwarten.
Titus Kroder:
Um welche Länder dreht sich es da? Das sind wahrscheinlich die Anrainerstaaten dieser Gebirge, nehme ich an.
Prof. Karen Pittel:
Genau. Also die größten, die dabei sind: China und Indien. Aber eben auch zum Beispiel Bangladesch oder auch Pakistan.
Wenn man sich das anschaut – einer der Flüsse, also das sind ja mehrere Riesenflüsse, von Yangtze bis Indus – wenn man sich den Indus alleine anschaut, dann sind diese Gletscher, also das Schmelzwasser, fast 40 Prozent des Gesamtabflusses.
Das kann man sich vorstellen: Wenn das sinkt oder zum Teil versiegt – das ist natürlich noch nicht komplett klar, wie sich das ausspielen wird – dann hat das natürlich auch für die dortige Landwirtschaft, aber auch für die Menschen, die dort leben, das sind ja Milliarden von Menschen, massive Konsequenzen.
Wenn ich meine Bevölkerung nicht mehr versorgen kann – Kabul ist jetzt gerade in der Presse in dem Kontext – dann heißt das natürlich auch etwas für die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, für die Produktivität der Arbeitskräfte. Das heißt, da sind jetzt jenseits der direkten wirtschaftlichen Auswirkungen auch diese Art von Auswirkungen. Hinzu kommt, dass quasi diese ganze Region eigentlich einer der Welt-Lebensmittellieferanten ist, wenn man so möchte. Also über 60 Prozent zum Beispiel des globalen Reisanbaus finden in dieser Region statt. Über 40 Prozent des Kartoffelanbaus.
Also da kann man sich vorstellen, was da potenziell auch an Risiken auf die Wirtschaft zukommt.
Titus Kroder:
Sehr interessant und wenig berichtet, muss ich sagen.
Philipp, Indien – der kommende Weltwirtschaftsgigant – ist ein südlicher Anrainerstaat dieser Region, über die wir jetzt gerade sprechen. Und der steht ja auch immer wieder im Fokus des Interesses deiner Kunden. Du bekommst viele Anfragen dazu, wie man in Indien eigentlich investieren könnte. Spielen da die Wasserrisiken schon eine Rolle in der Einschätzung der Anleger?
Philip Gisdakis:
Titus, ich kann jetzt nicht ausschließen, dass der eine oder die andere Anlegerin dieses Thema auf der Agenda hat. Ich muss jetzt ganz ehrlich zugeben: Ich hatte es bisher noch nicht. Mir war das nicht so bewusst.
Und das zeigt aber auch schon, was das Thema – ich will jetzt gar nicht sagen das Problem – sondern was das Thema mit Investments in Schwellenländern ist. Denn da sind zusätzliche Risiken, zusätzlich zu den unternehmensspezifischen Regeln, die eben etwas mit der Gesellschaft, mit der Infrastruktur, mit der Entwicklung der Länder zu tun haben, in denen eben diese Unternehmen operieren.
Und dafür brauchen Anleger eigentlich eine Überrendite oder eine zusätzliche Risikoprämie. Und das ist eigentlich der Grund, warum man dann eben auch in Schwellenländer investiert. Indien ist im Fokus, weil so ein bisschen die Hoffnung da ist, dass Indien die Rolle Chinas übernehmen könnte.
Bei so einer Investmententscheidung in Wertpapieren stellt sich aber immer die Frage: Auf was ziele ich denn ab? Ist denn in diesem Wertpapier – wenn man jetzt hier zum Beispiel mal einen Indien-ETF nimmt, der den indischen Aktienmarkt in der Breite abdeckt – enthält der denn tatsächlich das, was ich haben will?
Und wenn man da mal reinschaut, zum Beispiel auf den MSCI India, dann stellt man fest, dass 30 Prozent dieses Index Banken sind. Der Index ist auch hoch konzentriert. Die fünf Größten machen 25 Prozent der Marktkapitalisierung aus, die zehn Größten fast 40.
Also man hat auch ein großes Klumpenrisiko. Und hinzu kommt eben auch noch, dass der Zugang für Kapitalinvestoren aus dem Ausland schwieriger ist als in entwickelten Ländern. Und damit sind diese Produkte auch noch deutlich teurer.
Das muss man eben immer abwägen. Und wenn ich mir die Performance von Indien jetzt in diesem Jahr anschaue, dann bleibt der MSCI India deutlich hinter dem zum Beispiel von Europa oder der USA zurück. Der MSCI India handelt in US-Dollar, ist zwar aktuell 4 Prozent im Plus, der S&P etwa 8 Prozent im Plus. Aber ich muss natürlich dann auch noch die Währungskomponente mitberücksichtigen – dass eben der Euro gegenüber dem Dollar stärker ist. Und deswegen sind diese Anlageprodukte year-to-date aktuell im Minus.
Titus Kroder:
Bleiben wir nochmal bei dem Thema Wasser.
Sind denn die Folgen der Wasserproblematik, über die wir jetzt die ganze Zeit gesprochen haben, von denen wir gehört haben, denn nicht auch immer Geschäftschancen? Wenn man zum Beispiel an großindustrielle Entsalzung von Meerwasser, an Bewässerungssysteme, Aufbereitung von Trinkwasser im großen Stil denkt.
Frau Pittel, wie sehen Sie das als Transformationsökonomin? Sind das echte Geschäftschancen?
Prof. Karen Pittel:
Das sind auch echte Geschäftschancen, und da gibt es auch durchaus schon ein lebendiges Ökosystem sozusagen an Industrie und an Mittelstand in Deutschland.
Ich wollte noch kurz ergänzen zu Indien: Wir haben auch in dem Gutachten zum Beispiel Chennai aufgegriffen. Das ist eine Stadt mit sehr viel natürlichem Wasserzufluss und trotzdem massivem Wassermangel. Und da kann man vielleicht auch schon mal sehen, welche Geschäftsfelder eigentlich interessant sein könnten – auch welche teilweise Hochtechnologien, aber teilweise natürlich auch relativ einfache Technologien da zum Einsatz kommen.
In Deutschland haben wir im Prinzip eigentlich eine sehr breit aufgestellte Wasserwirtschaft, auch in dem Kontext viele mittelständische Unternehmen, die teilweise eben auch international durchaus tätig sind – sowohl in Industrieländern als auch in Entwicklungsländern. Die befassen sich beispielsweise mit dem Umgang mit Abwässern, landwirtschaftlichen Bewässerungsmethoden und so weiter.
Die haben natürlich auch gerade die Herausforderungen, die gerade auch schon beschrieben wurden – hinsichtlich Risiken, Unsicherheiten institutioneller Art und so weiter, teilweise auch finanzieller Art in den Ländern, in die sie reingehen – und sind dementsprechend natürlich dann auch häufig in Kooperation mit staatlichen Programmen dort unterwegs, gerade in Niedrigeinkommensländern.
Titus Kroder:
Philipp, in der Anlage bezeichnet man das, glaube ich, als Blue Economy. Das ist die Wirtschaft, die sich so formiert rund um – ich glaube primär – dem Umgang mit Meerwasser, aber auch mit Süßwasserbehandlung.
Inwieweit ist denn das schon ein Finanzanlagethema bei euch?
Philip Gisdakis:
Das ist schon ein Finanzanlagethema – jetzt bei uns nicht speziell.
Es gibt eine ganze Reihe von sogenannten Wasserfonds, also Portfolios, die sich mit dem Thema Wasser beschäftigen.
Was ich da wichtig finde, ist, dass man sich das sehr genau anschauen und prüfen sollte, ob die Regeln, die da angestellt werden, und die Anlagebedingungen tatsächlich das sind, was man sich vorstellt. Denn es ist sehr schwer, ein Portfolio zusammenzustellen mit dem Thema Wasser, das ausreichend diversifiziert ist und gleichzeitig thematisch auf das Thema Wasser fokussiert ist.
Und hinzu kommt: Wenn du sagst Blue Economy, dann stellt man sich häufig sozusagen etwas Nachhaltiges vor. Und soweit ich das überblicken kann, sind diese Wasserfonds oftmals nicht dezidiert nachhaltig.
Wenn man reinschaut, was dann da drinnen ist, dann sieht man, dass da häufig Unternehmen sind, die zum Beispiel allgemein im Abfall- und Abwassermanagement tätig sind oder im Bereich Engineering und Consulting – und vielleicht einen Bezug zu Wasserversorgung oder Infrastruktur haben. Oder generell Infrastruktur. Und dann sind Unternehmen dabei, die eben neben Wasserversorgung auch Heizung, Air Conditioning, Elektrizitätsversorgung machen. Oder Unternehmen, die sich mit Analytik generell beschäftigen, weil man das natürlich dann auch für Wasseranalytik braucht. Oder Unternehmen, die sich generell mit Hygiene beschäftigen, weil eben Wasser auch mit Hygiene assoziiert wird.
Also das heißt: Es ist sehr wichtig, dass man genau prüft, ob das, was man sich darunter vorstellt, auch da drinnen ist. Und man muss auch dazu sagen, dass diese Unternehmen häufig relativ wenig miteinander zu tun haben. Und soweit ich das überblicken konnte, ist die Performance von diesen Fonds auch nicht übermäßig gut in den letzten Jahren.
Aber Titus, beim Thema Wasser gibt es noch einen anderen interessanten Aspekt, der in den letzten Wochen sehr heiß am Kapitalmarkt diskutiert wurde – nämlich der Wasserverbrauch von Rechenzentren, von denen ja aufgrund von künstlicher Intelligenz eine ganze Reihe gebaut werden sollen.
Denn die haben neben einem hohen Strom- und Flächenverbrauch eben auch einen relativ hohen Wasserverbrauch. Die Dinger müssen nämlich gekühlt werden – und zwar verdunstet das Wasser beim Kühlprozess. Das Wasser ist also weg.
Und sehr häufig werden solche Rechenzentren in Gegenden gebaut, in denen es sowieso schon Wassermangel gibt, wo also dann diese Rechenzentren den lokalen Communities das Wasser streitig machen. Warum ist das so? Der Wasserverbrauch ist kostenmäßig eher ein kleiner Teil der Kosten. Da geht es eher um Energieversorgung und um Flächen. Und man baut die eben an Stellen, wo die Flächen günstig sind und die Energieversorgung billig ist – und nimmt dann halt das Wasser in Kauf.
Aber das Problem, das daraus resultiert: Dass eben in Gegenden, in denen es eh schon sehr trocken ist, das Wasser dann eben zum Kühlen von Rechenzentren verwendet wird.
Titus Kroder:
Philipp, die letzte Frage an dich: Wie groß ist eigentlich noch der Faktor ESG-Anlagen aktuell in eurem Portfolio? Du hast vorhin schon die Zahl 60 % genannt, aber vielleicht kannst du das nochmal etwas detaillierter machen – wo denn da genau bei E, S und G investiert wird? Und wie seid ihr ganz allgemein derzeit strukturiert im Portfolio?
Philip Gisdakis:
Also wie du schon gesagt hast: Immer noch etwa 60 % unseres Portfolios werden in nachhaltigen Investments gesteuert. Wir folgen da einem Investmentansatz, der eben sowohl Ausschlusskriterien, als auch Best-in-Class verfolgt.
Das heißt, es werden Ausschlusskriterien definiert – kontroverse Geschäftsfelder, aber auch umstrittene Geschäftsgebaren werden dann ausgeschlossen. Und nach diesem gefilterten Universum wird dann eben noch geguckt, wie in den einzelnen Branchen - nach Nachhaltigkeitskriterien sortiert - die besten 50 % sind – und dann wählt man ein entsprechendes Portfolio aus.
So gehen auch wir in diesem Nachhaltigkeitsinvestment vor. Und wir sehen nach wie vor Zuflüsse in diese Strategien – wenn auch die Zuflüsse jetzt in den nachhaltigen Strategien nicht mehr so hoch sind im Anteil, wie das kurz nach Corona der Fall war. Aber es ist auf alle Fälle noch ein sehr wichtiges Thema.
Zur Anlagestrategie generell ist es so – und das gilt sowohl für die nachhaltige als auch für die klassische Anlagestrategie –, dass wir aktuell uns verstärkt auf Aktien wieder konzentrieren, und da insbesondere europäische Aktien.
Auf der Anleihenseite sind wir im US-Dollar beziehungsweise bei US-Treasuries untergewichtet. Und auf der Aktienseite schauen wir, dass wir ein bisschen mehr zyklische Unternehmen mit ins Portfolio hinzupacken.
Warum? Weil wir davon ausgehen, dass diese Investitionspakete, die wir jetzt sehen, eben zu einer konjunkturellen Belebung führen. Und das wird dazu führen, dass eben Unternehmen aus zyklischen Branchen wieder ein bisschen besser funktionieren und eine höhere Performance haben.
Man muss allerdings auch dazu sagen – weil wir ja beim Thema Nachhaltigkeit sind –, dass es insbesondere zyklische Branchen sind, die eigentlich eher zur Brown Economy gehören. Also Öl und Gas, Chemiebranche, Rohstoff-, Minengesellschaften – das sind klassische Unternehmen. Und das wird nicht ganz einfach, das Portfolio dann in einem nachhaltigen Ansatz in zyklische Branchen stärker zu investieren, die eben dann nicht dieser Brown Economy zugehören.
Titus Kroder:
Frau Pittel, zum Abschluss auch Sie nochmal gefragt:
Gehen Sie denn davon aus, dass die großen Rahmenwerke, welche die grüne Transformation ja gestalten – also das Pariser Abkommen, der Green Deal der EU und alle Unterrichtlinien und so weiter –, dass diese Rahmenwerke mittelfristig wieder mehr Kraft und Konjunktur bekommen? Bei Investoren, vor allem auch bei Politikern und Politikerinnen?
Und wird man also diese, ich sage mal, restaurative Phase, in der Nachhaltigkeit aktuell politisch deutlich kleiner geschrieben wird, auch mal wieder hinter sich lassen können?
Prof. Karen Pittel:
Aus meiner Sicht wird das auf jeden Fall der Fall sein. Wir haben die Klimaziele – das ist natürlich immer die große Frage – nicht aufgegeben. Und ich denke auch, es wäre fatal, sie aufzugeben. Also jetzt nicht nur aus gesellschaftlichen Gründen, sondern vor allem auch aus wirtschaftlichen Gründen.
Aber es führt natürlich kein Weg daran vorbei, dass auch gerade das Pariser Abkommen momentan durch den Ausstieg einer der größten Wirtschaftsmächte insgesamt geschwächt ist. Die quasi Persistenz dieses Prozesses, der ja nun auch schon lange immer wieder – nicht immer in den Schritten vorangeht, wie man es gerne möchte – aber doch vorangeht und quasi den Diskurs über Nachhaltigkeit und über Klimaschutz global prägt, ist einfach extrem wichtig.
Aber ich denke auch, dass es in Zukunft immer mehr dazu kommen wird, dass zwar dieser Diskurs auf den UN-Klimaverhandlungen geprägt wird, aber dass bilaterale, multilaterale Kooperationen einfach immer wichtiger werden. Die sind einfacher zu managen, häufig auch mehr wie man so schön sagt: „like-minded“. Das heißt, die gehen eigentlich von den Interessen in die gleiche Richtung. Und es erlaubt potenziell auch, ehrgeizigere Ziele zu erreichen.
Also ich glaube schon, dass es dazu beiträgt, dass wir eher in so eine zersplitterte Kooperationswelt kommen, in der die UN-Klimaprozesse sozusagen das Hintergrundthema und die Benchmark quasi setzen.
Titus Kroder:
Vielen Dank an Prof. Dr. Karen Pittel, heute im Podcast unsere Expertin für Klimaschutz und Nachhaltigkeitsökonomie, und an Philipp Gisdakis, Experte für Kapitalmarktthemen der HVB.
Danke für ein sehr spannendes Gespräch und die vielen fachlichen Einblicke in das Thema Nachhaltigkeit und aktuelle wirtschaftliche Entwicklung.
Wir sagen Tschüss kurz vor der Sommerpause. Erholen Sie sich gut an einem hoffentlich nicht zu heißen Urlaubsort, an dem es noch ausreichend kühles Wasser gibt.
Das nächste HVB-Markt-Briefing gibt es zum Download am 8. September – bitte schon mal ankreuzen. Hinweise und Kommentare gerne an markt-briefing@unicredit.de richten.
Das war es von uns. Es verabschieden sich mit besten Wünschen für einen guten Sommer:
Prof. Karen Pittel:
Karen Pittel,
Philip Gisdakis:
Philipp Gisdakis,
Titus Kroder:
Titus Kroder.
Machen Sie es gut.