Zwischen Zöllen, KI-Bubble & Debasement: Wie resilient sind die Märkte?
Philip Gisdakis:
Es könnte auch ein sogenannter Effizienzschock kommen, dass plötzlich eine neue Generation von Chips die bestehenden Chips einfach obsolet macht oder dass zum Beispiel auch es 'n Energie Bottleneck gibt. Also da gibt es viele Fragen, die man sich angucken muss, ein echtes systemisches Risiko für den großen Markt, den würde ich jetzt nicht sehen.
Christian Stocker:
Aktuell sitzt China mit rund 70 Prozent der globalen Förderung von Seltenen Erden am längeren Hebel und kann seine Machtposition ausspielen. Aber langfristig gesehen werden die Kapazitäten in Australien, in Südamerika, Nordamerika ausgebaut. Auf Sicht der kommenden Jahre wird es da sicherlich eine gewisse Entlastung geben.
Nikolaus Barth:
Herzlich willkommen zur neuesten Ausgabe des HVB Markt-Briefings. Mein Name ist Nikolaus Barth. Ich bin Wertpapier und Börsenexperte bei der HVB und ich begrüße Sie sehr herzlich.
Die Börsen haben diesseits und jenseits des Atlantiks Anfang Oktober neue Allzeithochs markiert. Die Ersten warnen allerdings schon vor einer möglichen Bubble, vor allem im Bereich künstliche Intelligenz. Ständig Breaking News aus Washington. Kein Wunder also, dass Gold und Silber neue Hochs markiert und zumindest Gold von Allzeithoch zu Allzeithoch jagt - mit einem Fragezeichen verbunden, ob das so weitergeht.
Wir haben viel zu besprechen und ich könnte mir heute keine besseren Gesprächspartner vorstellen als der Chef-Anlagestratege der HVB, Philipp Gisdakis, und der Chef-Aktienstratege Christian Stocker.
Schön, dass ihr beide heute wieder bei uns seid.
Philip Gisdakis:
Hallo, grüß dich.
Christian Stocker:
Ja, hallo zusammen.
Nikolaus Barth:
Ja, Christian, du warst lange nicht dabei. Über ein Quartal haben wir dich jetzt vermisst. Was hat dich denn im dritten Quartal an Entwicklungen an den internationalen Märkten besonders überrascht?
Christian Stocker:
Das war die die Stärke des US Aktienmarktes. Das dritte Quartal ist normalerweise ein eher volatiles Quartal mit deutlicheren Rücksetzern, so wie wir es auch teilweise in Europa gesehen haben.
Aber in den USA ging es eigentlich fast nur nach oben und diese Stärke im dritten Quartal, die ist im Vergleich zu den vergangenen Jahren schon hervorzuheben, ja.
Nikolaus Barth:
Dann bleiben wir doch gleich mal in den Vereinigten Staaten. In den letzten Tagen ist der Handelskonflikt zwischen China und den USA ja wieder ein Thema und bewegt die Märkte. Zumindest muss man sagen, zeitweise. Spannung folgt Entspannung und die Erholung folgt einer Kurskorrektur, das meistens innerhalb weniger Stunden eines Tages.
Christian, haben sich die Märkte schon auf Donald Trump eingestellt und verdauen sie die Nachrichtenlage jetzt einfach schneller?
Christian Stocker:
Ja, die Märkte haben sich sicherlich auf das eher erratische Verhalten von Präsident Trump eingestellt und die Aktienmärkte interpretieren das Ganze im Augenblick eher als eine weitere Episode im Verhandlungsmarathon zwischen den USA und China.
Was die aktuelle Situation etwas spannender macht, ist das generelle Umfeld mit hohen Bewertungen an den Aktienmärkten mit einem Anzeichen von Schwäche des US-Arbeitsmarktes. Im Zusammenhang mit dem Government Shutdown haben wir ein Vakuum an aktuellen Konjunkturdaten und dieses zunehmende machtpolitische Gerangel zwischen den USA und China kommt hier noch on top und das verunsichert die Märkte natürlich ein bisschen.
Nikolaus Barth:
Im jüngsten Streit ging es ja um Seltene Erden, also wichtige Rohstoffe, die gerade mit Blick auf Chips und Mobilfunkgeräte sehr wichtig sind. China hat schärfere Exportkontrollen angekündigt. Christian, wie abhängig ist denn die Welt von China in diesem Bereich und welche Folgen für die Weltwirtschaft könnte das haben?
Christian Stocker:
Die gerade die weitreichende Verschärfung der Exportkontrollen für seltene Erden und auch damit verbundenen Technologien bedeutet, dass die nachgelagerten Produkte und Technologien wie Magnete, Verarbeitungstechnologien, Software, technische Pläne, das alles unterliegt jetzt neuen Regeln. Das heißt, Produkte, die außerhalb Chinas hergestellt werden, aber chinesische Seltene Erden oder Verfahren enthalten, benötigen jetzt eine Genehmigung aus China.
Und dies betrifft auch europäische und US-amerikanische Unternehmen, selbst bei minimalen Anteilen chinesischer Materialien, also chinesischer Seltener Erden zum Beispiel, ab 0,1 Prozent Anteil muss China zustimmen, dass diese Produkte auch verkauft werden.
Das heißt, aktuell sitzt China mit rund 70% der globalen Förderung von Seltenen Erden am längeren Hebel und kann seine Machtposition ausspielen. Aber langfristig gesehen werden die Kapazitäten zur Förderung der Seltenen Erden in Australien, in Südamerika, Nordamerika ausgebaut. Es dauert zwar, weil die Förderung ist sehr, sehr komplex, aber aus Sicht der kommenden Jahre wird es da sicherlich eine gewisse Entlastung geben. Also langfristig kein Problem, kurz und mittelfristig ein Problem.
Nikolaus Barth:
Kein Wunder also, dass aus Washington, dass von Donald Trump gleich eine Reaktion kam. Er hat China mit Zöllen von bis zu 100% zum Monatswechsel gedroht, also von Oktober auf November. Und jetzt schaut man ja auf Donald Trump. Wir haben es Eingangs schon gehört, er gilt ja als Ankündigungsweltmeister.
Man sagt auch als "Taco-Man, Trump always chickens out". Dafür steht Taco.
Aber ist das denn wirklich so, Philip? Bei den Zöllen ist es ja nicht nur bei Ankündigungen geblieben.
Philip Gisdakis:
Ja, Nikolaus, wir haben dieses Thema, auch dieses Akronym Taco, ja in einem unserer Podcasts mal thematisiert und es bezieht sich eben, wie du gesagt hast, darauf, dass er ankündigt und dann eben mit ein bisschen Schmunzeln und Augenzwinkern dieses Akronym Taco wieder zurückzieht und das war nicht so, zu mindestens nicht vollständig.
Also das, was er am Liberation Day da angekündigt hat, wäre laut Schätzung der Yale Universität gleichgekommen mit einem Anstieg der durchschnittlichen Zollrate auf 20% auf alle Importe der USA. Und wenn man sich jetzt die Daten entsprechend anschaut, dann ist es nicht von 2 auf 20 gegangen, sondern von 2 auf 10 ungefähr, ne.
Also das heißt schon 'n deutlicher Anstieg und auch wenn man sich die Importzölle nach Ländern anschaut, dann sieht man zum Beispiel, dass Importe von deutschen Unternehmen aktuell mit einem Zollsatz im Durchschnitt von 11% belegt werden, Japan 15%, aber auch Kanada und Mexiko liegen so zwischen 3 und 5%.
Und das ist wichtig, denn das sind jetzt alles Länder, die im Wesentlichen nicht als Billiglohnländer bekannt sind, sondern die eben Güter in die USA exportieren, die man vermutlich woanders nicht kaufen kann. Und wo die Importeure, die Käufer in den USA, angewiesen sind, dass sie das kaufen. Und das heißt, deren Preise, die sind jetzt gestiegen oder werden steigen und das wird wirtschaftliche Auswirkungen haben.
Das wird einen bremsenden Faktor auf die amerikanische Wirtschaft entsprechend ausüben. Die Frage ist, wie sehr sozusagen das durch ein anderes Thema KI Investitionen ausgeglichen wird, aber also er hat nicht komplett zurückgezogen, er hat schon eine massive Transformation des Welthandels hier dieses Jahr implementiert.
Nikolaus Barth:
Aktuell befinden sich die USA ja im Shutdown. Die Märkte sind unterversorgt, was volkswirtschaftliche Daten aus den USA betrifft. Umso wichtiger ist es, von der Unternehmensseite Daten zu bekommen und der Markt schaut auch gerade vor allem auf die Unternehmen, denn die Berichtssaison in den USA, wie auch anderswo, ist angelaufen.
Christian, was erwartest du in der aktuellen Berichtssaison von den amerikanischen, aber auch von den anderen Unternehmen? Und erste Branchen, wie beispielsweise die Automobilindustrie, haben ja das schon angekündigt, was Philipp gerade gesagt hat, dass sich die Zölle in den Bilanzen widerspiegeln und das sicherlich nicht positiv, oder?
Christian Stocker:
Ganz genau, man muss in den USA stark unterscheiden, wer gerade berichtet. Auf der einen Seite technologielastige Unternehmen, die werden sicherlich weiter sehr, sehr gute Gewinne berichten fürs dritte Quartal. Auf der anderen Seite gerade die Automobilindustrie in den USA oder generell gesagt die metallverarbeitende Industrie, die wird stark durch die neu eingeführten Zölle belastet.
Die Automobilzulieferer, also die Teile, die zugeliefert werden in den USA, unterliegen bis zu 25% an Zöllen und wir haben rund 50% Zölle auf Importe von Stahl, Aluminium, Kupfer, also auch alles, was man in der Automobilindustrie auch braucht. Also generell kann man schon sagen, die betroffenen Produkte neben den Automobilen sind generell Maschinenbauer, Maschinen, Baukomponenten und Fahrzeugteile. Also wir haben hier Kostensteigerungen und im Vergleich zum Rest der Welt haben sicherlich hier US-Hersteller gewisse Wettbewerbsnachteile und auch Arbeitsplatzverluste wahrscheinlich zu verzeichnen.
Nikolaus Barth:
Klar, weil sie diese Preissteigerung nicht eins zu eins an den Verbraucher, an den Kunden weitergeben können und entsprechend dann an Ertragskraft verlieren.
The IMF and the Bank of England have joined the course of institutions warning we're in an AI bubble that could be set of burst. The Managing Director of the IMF today said AI valuations. We're getting close to the level of internet companies just before the dot com crash and that given tech companies make up such a big proportion of the value of the stock market at the moment we could be do a stock market crash.
Jetzt, wenn wir uns die Aktienmärkte, du hast es Eingangs gesagt, in den Vereinigten Staaten anschauen, wir reden jetzt natürlich von US-Dollar-Basis, dann sind die ja sehr gut gelaufen. Wir haben jetzt Anfang Oktober 'ne ganze Reihe von Allzeithochs bei den großen Indizes markiert. Wir haben jetzt aber auch gerade schon gehört, dass es durchaus ein paar Sorgen gibt.
Im Einspieler, genommen von einer internationalen Nachrichtenagentur, haben wir ein Statement gehört, dass sich auf eine Aussage der Bank of England bezieht, in der gewarnt wird, dass einzelne Bewertungen mit Bezug auf künstliche Intelligenz schon sehr hohe Levels erreichen und das ein Stück weit an die dot.com Blase erinnert.
Jetzt die Frage an euch beide, zunächst mal, was waren die großen Treiber für die Kursentwicklung beim S&P 500 beispielsweise? Aber macht euch die aktuelle Entwicklung auch mit Blick auf den Bewertungen und die Warnungen, die ausgesprochen sind, Sorgen?
Christian Stocker:
Also der Blick auf die Bewertungen macht mir jetzt nicht wirklich Sorgen. Wir sind relativ hoch bewertet, das muss man sagen, und die treibenden Faktoren, die hier zu dieser hohen Bewertung geführt haben, die kommen aus dem Technologiebereich.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass wir vor 10 Jahren in den USA im S&P 500 einen Anteil der Technologiewerte von rund 10% hatten.
Aktuell ist der Anteil der Technologiewerte aufgrund der starken Kurssteigerungen bei rund 40% und die Technologieunternehmen, die haben aufgrund ihrer starken Wachstumsraten auch deutlich höhere Bewertungen. Das heißt, die Bewertung des S&P 500 ist deswegen gestiegen, weil der Anteil der US-Technologieunternehmen so stark gestiegen ist. Und das treibt natürlich das KGV.
Das heißt, das KGV aktuell kann man nicht vergleichen mit dem Niveau, das wir vor zehn Jahren hatten, einfach weil die die Zusammensetzung des US Aktienmarktes heute eine komplett andere ist. Und wenn man sich mal vergegenwärtigt, das hohe Gewinnwachstum gerade im Bereich künstliche Intelligenz, die Mag7 Unternehmen beziehungsweise ich sag jetzt mal Mag6 Unternehmen ohne Tesla, die haben in den letzten 2 Jahren einen Gewinnanstieg der berichteten Gewinne, also nicht der Gewinnerwartungen von 130% hervorgebracht.
Global gesehen haben Technologieunternehmen in den letzten 2 Jahren 50 Prozent Gewinnsteigerungen erzielt, während der Gesamtmarkt global gesehen ohne Technologie, Medien und Telekommunikationssektoren mehr oder weniger unveränderte Gewinne hat. Das heißt, der treibende Faktor ist aktuell schon im Technologiebereich zu sehen und solange die Gewinne weiter steigen, werden auch die Kurse gut unterstützt sein.
Nikolaus Barth:
Philipp, was meinst du?
Philip Gisdakis:
Diese Frage nach dieser KI Blase bezieht sich in den Kundengesprächen sehr häufig eben auf genau diese Unternehmen, über die jetzt gerade der Christian gesprochen hat. Und dazu muss man natürlich sagen, dass hohe Bewertungen natürlich immer auch ein Risiko darstellen können und dass es natürlich sein kann, dass irgendetwas passiert, dass diese Bewertungen kurzfristig wieder zurückgehen und dann auch mal zu Rücksetzer an den Aktienmärkten führen können.
Ich glaube aber, dass wenn wir über dieses Thema AI Bubble auch noch 'n bisschen tiefer schauen müssen, was meine ich damit? Das hat so 'n bisschen Konnotation ja auch zu der Kreditkrise der Great Financial Crisis Ende der Nullerjahre, wo eben auch die Kreditmärkte mit berücksichtigt werden. Und wenn man sich mit dieser Perspektive dem Thema nähert, dann muss man, glaube ich, 3 W-Fragen stellen. Also wer, was und wie.
Wer ist da im Moment gerade im Fokus? Das sind die sogenannten Hyperscaler. Was sind Hyperscaler? Das sind die Unternehmen, die sozusagen hyperskaliert Rechenzentren Leistung liefern können. Er ist es zum Beispiel, ich nenn jetzt mal 'n paar Große, die mir einfallen, Microsoft mit Azure, Google mit Cloud Computing, Amazon mit Amazon App Services, da ist auch 'n Oracle mit dabei oder 'ne IBM Cloud. Also das sind die sogenannten Hyperscaler, die hier große gigantische Rechenkapazitäten in Datacenter aufbauen und die haben natürlich hinter ihren Dienstleistungen auch relativ ordentliche Cashflows und 'n Businessmodell stehen.
Ganz so einfach darf man es sich aber nicht machen, denn es handelt sich hier um das, was um Capex Investitionen, was ist Capex Capital Expenditure, das sind also Ausgaben für Infrastruktur und das kannte man so von den großen Unternehmen nicht, dass die sozusagen viel Infrastrukturinvestitionen hatten und dann das Wie, da geht es eben darum, wie ist das finanziert und da ist natürlich 'n großer Teil aus ihrem eigenen Cashflow finanziert.
Aber diese Rechenzentren, die sind zum Teil natürlich auch mit Projektfinanzierung finanziert, also Kredite, Anleihen, die für die Immobilien ausgegeben werden, etc. Diese Unternehmen haben zum Teil auch mehr Schulden mit aufgenommen auf ihre Bilanzen, die haben immer noch 'n hervorragendes Credit Rating, also da ist schon auch 'n bisschen Schulden mit dabei und auch nicht notwendigerweise auf der Bilanz der Unternehmen, also mit der Sicherheit des Unternehmens, ja, sondern vielleicht auch woanders und wir müssen uns schon auch angucken, wo das Ganze verteilt ist.
Wird das große Auswirkungen, systemische Risiken haben, wenn da irgendetwas passieren sollte? Ich glaube nicht. Was könnten diese Risiken sein, was möglicherweise da irgendwie negative Auswirkungen hat? Da kann man sich zum Beispiel fragen, dass 'ne mangelnde Nachfrage nach den Dienstleistungen, die damit dargestellt werden, also KI, irgendwie 'ne Rolle spielt, dass sich die Erwartungen an die Nutzung und an die Monetarisierung nicht erfüllen.
Oder es könnte auch, wird immer wieder genannt, ein sogenannter Effizienzschock kommen, dass plötzlich eine neue Generation von Chips die bestehenden Chips einfach obsolet macht und die dann auf Investitionen sitzen, die erneut getätigt werden müssen und die alten sich nicht lohnen. Oder dass zum Beispiel auch es 'n Energie Bottleneck gibt, dass nicht so viel Energie zur Verfügung steht.
Also da gibt es viele Fragen, die man sich angucken muss und die gerade wenn Kreditfinanzierung dabei sind, man auch die entsprechenden Investoren sich anschauen müssen, ein echtes systemisches Risiko sozusagen für den großen Markt, den würde ich jetzt nicht sehen.
Warum? Weil erstens die Wahrscheinlichkeit, dass da etwas platzt, klein ist und dann, wenn geht es natürlich auch um den Impact, wenn das platzen würde, dann muss man eben auch dazu sagen, dass wir ja 'ne große Transformation haben. Denn diese Investitionen, diese Rechenzentren, die werden ja eine gewisse Nachfrage stillen, diese Dienstleistungen werden gebraucht. Das heißt, diese Dinger werden nicht einfach nur so rumstehen, vielleicht nicht ganz so effizient eingesetzt, wie man sich das mal erhofft werden.
Aber wir werden diese Dinge brauchen und deswegen glaube ich auch nicht, dass wir hier vor einem großen systemischen Risiko stehen.
Nikolaus Barth:
Also ich höre bei euch raus, Vorsicht, aber keine Sorge, man muss bei der ein oder anderen Aktie 'n bisschen genauer hinschauen. Philipp, wie berücksichtigst du denn bei diesen Marktständen aktuell US Aktien in deinen Portfolien?
Philip Gisdakis:
Also wir haben Aktien leicht mehr als neutral investiert, wir sind noch nicht offiziell im Übergewicht, das müssten wir noch 'n bisschen mehr dazu machen, aber wir haben etwas mehr als die neutrale Quote investiert und ebenso sind wir in den USA investiert und auch dort haben wir leicht mehr als die neutrale Quote investiert, sind da aber auch noch nicht wirklich richtig offiziell im Übergewicht.
Wir sind auch in die KI Unternehmen, zum Teil in den genannten, investiert. Was aber wichtig ist und eine Zahl hat der Christian ja schon gesagt, mittlerweile bis zu
40% innerhalb sozusagen einem knappen Dutzend von Unternehmen ein so hohes Konzentrationsrisiko, wie übrigens sehr häufig in ETFs steckt, ne, ich mein, viele Anlegerinnen denken sich ja, wenn sie 'n ETF, 'n S&P 500, kaufen, kaufen sie diversifiziertes Portfolio. Nee, da steckt bis zu 40% in 10 Unternehmen oder noch weniger drinnen. Ja, diese hohe Konzentration, die investieren wir nicht.
Und was wir auch machen, ist, dass wir zum Teil das amerikanische Aktien-Exposure währungsgesichert haben, zum Beispiel indem wir 'n währungsgesicherten ETF nehmen. Übrigens, das ist keine Aufforderung, langfristig in währungsgesicherte ETFs zu investieren, weil dieser Währungshedge in dem ETF typischerweise sehr teuer ist. Das ist dann ein taktisches Investment, aber auch in unserem Portfolio nutzen wir das, um sozusagen Währungsrisiken, die aus dem US-Dollar resultieren können, entsprechend rauszunehmen.
Nikolaus Barth:
Also, ich nehm mit 'n Stück, weil es sind die Risiken reduziert durch eine breitere Diversifizierung, einfach indem man weniger stark konzentriert investiert.
Jetzt lass uns kurz in den USA bleiben, lieber Philipp, und das Thema US Notenbank Fed besprechen. Das ist sicherlich auch etwas, was sich in den letzten Wochen entwickelt hat. Die Fed hat ja den Markt praktisch auf eine weitere Zinssenkung vorbereitet. Was erwartest du denn jetzt bis zum Jahresende?
Philip Gisdakis:
Also die Zinssenkung, sozusagen die nächste im Oktober, die ist mehr oder weniger angekündigt, wie du schon gesagt hast. Ich denke, es wird bis Jahresende 'ne weitere folgen, also 2 bis Jahresende und möglicherweise auch noch zum Jahresanfang eine dritte und dann scha uen wir mal. Das wäre 'n bisschen mehr als unsere offizielle Hausmeinung.
Unsere Hausmeinung sagt 2 Zinssenkungen. Aber wenn man sich den Markt anguckt, dann ist es zu mindestens bis zum Beginn des Jahres erst mal mit dreien, die aktuell eingepreist sind, gut. Und dann könnte es sein, dass Richtung Ende 26 Anfang 27 in Abhängigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung noch mal 2 weitere Zinssenkungen kommen. Das hängt dann aber natürlich von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Und weil ich weiß, dass viele sich Gedanken drüber machen, ob das jetzt schon Unabhängigkeit der amerikanischen Zentralbank ein Zeichen dafür wäre, dass sie sozusagen Unabhängigkeit verlieren, aktuell sieht die wirtschaftliche Lage in den USA gerade der Arbeitsmarkt tatsächlich so aus, als wären diese Zinssenkungen, die jetzt vom Markt erwartet und eingepreist werden, wirtschaftlich durchaus gerechtfertigt.
Nikolaus Barth:
Du hast Unabhängigkeit der amerikanischen Notenbank schon angesprochen, Donald Trump wünscht sich stärkere Zinssenkungen, wenn man das der Presse entnehmen kann. Jetzt wird die Unabhängigkeit diskutiert, die amerikanische Verschuldung wird diskutiert, der Dollar steht unter Druck, die Anleger verlieren zumindest teilweise das Vertrauen und wenden sich anderen Anlageklassen zu.
Aktuell liest man vom Debasement Trade, man könnte das mit Entwertungs-Trade übersetzen. Es kommt wieder ein Stück weit in Mode, Gold und Silber sind gefragt.
Kannst du uns kurz die Hintergründe dazu erklären, lieber Philipp, und wie positionierst du dich?
Philip Gisdakis:
Zunächst einmal bezogen auf den größten Teil des Debasement Trades, nämlich den Edelmetallen, gerade Gold, zuletzt ja auch Silber, sehr stark mitgekommen. Gold entkoppelte sich im Prinzip von seinem fundamentalen Modell, oder wie wir auf Gold geguckt haben, wir haben immer auf die US Dollar Realrendite geschaut und da gab es einen sehr schönen Zusammenhang, immer dann, wenn die Realrendite, also der nominale Zinssatz minus Inflation, niedriger oder negativ war, dann ist Gold stark gewesen.
Aktuell ist die Realrendite in den USA nicht niedrig, sondern eigentlich wieder im positiven Bereich. Und trotzdem ist der Goldpreis nicht schwach, sondern sehr, sehr stark. Und diese Entkopplung hat im Prinzip mit Beginn der Invasion Russlands in die Ukraine stattgefunden und lag im Wesentlichen daran, dass die westlichen Nationen die russische Zentralbank von ihren Währungsreserven abgeschnitten hat und viele andere Zentralbanken, auch die russische Zentralbank, auch die chinesische Zentralbank, angefangen begangen hat, mehr ihrer Währungsreserven in Gold zu investieren. Da hat sozusagen ein Großteil dieser Goldrally angefangen.
Zuletzt kommen eben noch weitere Faktoren mit hinzu, auch 'ne Rally in Kryptoassets, in Bitcoin spielt damit 'ne Rolle und natürlich zuletzt auch so 'n bisschen dieses Thema, wie unabhängig ist denn die Zentralbank. Die wichtige Frage aus Sicht von Anlegern und Anlegerinnen ist, wie weit kann denn das Ganze noch laufen, nachdem es jetzt sehr stark schon gelaufen ist und meine salomonische Antwort da drauf ist, dass es durchaus Sinn macht im Portfolio-Kontext in solchen Assets, wir benutzen in der Vermögensverwaltung Gold im Wesentlichen, investiert sein, wir sind auch im Übergewicht, in Gold investiert und werden auch dieses Übergewicht weiter halten.
Also, als Diversifizierung und als Risikopuffer. Das ist jetzt aber explizit keine Aufforderung, sozusagen, wenn jemand noch kein Gold hat, eine große strategische Position entsprechend aufzubauen, weil natürlich mit der Rally, die wir gesehen haben, ist das Rückschlagsrisiko natürlich auch nicht ganz klein.
Das heißt, wir müssen das weiter beobachten. Diese Entwicklung, die wir jetzt im Moment gerade sehen, zeigt sehr schön, dass Diversifizierer wie Edelmetalle, Gold und Silber durchaus eine Rolle im Portfolio spielen und spielen sollten.
Und wir, wie gesagt, in unserer Vermögensverwaltung sind im Übergewicht in Gold investiert, das sind dann round about 3 bis 4%, die wir in dem typischen Mandat entsprechend halten und das werden wir auch weiterhin so halten, weil wir, wie gesagt, diese Rolle als Diversifizierer und Stoßdämpfer im Portfolio brauchen.
Nikolaus Barth:
Also man hört ein bisschen Vorsicht raus, wenn man noch nicht investiert ist, um jetzt einzusteigen, aber es gehört ins Depot mit dazu, zu mindestens habt ihr es in der Vermögensverwaltung dabei.
Du hast jetzt Bitcoin oder Kryptowährungen bereits angesprochen, spielen die in diesem Zusammenhang auch eine Rolle für dich?
Philip Gisdakis:
Also wir werden da sehr, sehr intensiv danach gefragt, für uns in der Vermögensverwaltung spielen sie keine Rolle und das hat den einfachen Grund, dass wir natürlich sozusagen eine Strategie anbieten, die möglichst breite Akzeptanz für viele, viele Kunden bieten sollte. Und da sieht man eben ein sehr, sehr heterogenes Bild.
Es gibt einige Kunden, die so etwas gerne im Portfolio haben würden und es gibt aber auch ganz viele Kunden, die so etwas nicht im Portfolio haben wollen. Und deswegen empfehlen wir, also wir packen sozusagen solche Assets nicht in unser allgemeines Portfolio rein, aber wir empfehlen den Kundinnen und Kunden, die so etwas haben wollen, wenn sie das machen wollen, das dann im entsprechenden Side Depot zu machen. Wie gesagt, für uns ist wichtig, dass wir einen
signifikanten Teil dieses sogenannten Debasement Trades eben über die Goldposition, die wir in unserer Vermögensverwaltung haben, schon abgedeckt haben.
Und man muss natürlich auch, wenn es zum Thema Bitcoin kommt, die Volatilität und die damit verbundenen Risiken aushalten können.
Nikolaus Barth:
Christian, was für Gold gilt als Real Asset, gilt ja ein Stück weit auch für Aktien, oder?
Christian Stocker:
Von meiner Seite ein ganz klares Ja. Wenn man dem Thema Geldentwertung entkommen möchte, dann bietet der Aktienmarkt natürlich hervorragende Möglichkeiten, Aktienunternehmen generell, die schaffen Werte. Ja, und wenn Werte geschaffen werden, dann bedeutet es einen Vermögenszuwachs. Und man darf nie vergessen, die Gewinne, die die Unternehmen erzielen, sind ja keine realen Größen, es sind nominale Größen. Das heißt, Preissteigerungen, die möglicherweise aufgrund von Geldentwertung auftreten, die können die Unternehmen an ihre Endabnehmer entsprechend weitergeben und von daher weiter gut Gewinne erzielen. Also mit dem Aktienmarkt oder generell mit Unternehmen kann man dem Entwertungsproblem sehr gut entkommen.
Nikolaus Barth:
Jetzt haben wir schon ein bisschen über die Gewinnentwicklung gesprochen.
Wir haben über die Berichtssaison, die laufende, in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa gesprochen. An der Börse wird ja die Zukunft gehandelt. Es geht also weniger um das, was war, sondern vielmehr um das, was zukünftig sein wird.
Wie schätzt du denn jetzt die Gewinnentwicklung in Europa und in den Vereinigten Staaten für die Zukunft ein?
Christian Stocker:
Wenn man auf die Vereinigten Staaten schaut, ist das Bild aktuell ganz klar: Wir haben eine sehr solide Konjunktur, die für sich vielleicht leicht abschwächen wird, aber sie ist grundsätzlich solide und die Gewinnerwartungen für die USA, die sind sehr, sehr stabil.
Wir erwarten für nächstes Jahr Gewinnsteigerungen der US-Unternehmen von rund 12, 13%, Der Konsens erwartet sogar noch mehr. Der Konsens erwartet rund 15 bis 16% Gewinnsteigerungen gegenüber diesem Jahr. Das heißt, hier sind selbst durch die hohen Bewertungen, wenn wir einen Deckel auf den Aktienmärkten von Seiten der Bewertung haben und die Bewertung auf dem aktuellen Niveau bleibt, dann haben wir ein Potenzial, das deutlich im zweistelligen Bereich für den US-Markt liegt.
Für Europa ist es ein bisschen schwieriger, da haben wir die letzten 1, 2 Jahre mehr oder weniger weniger Nullwachstum gesehen in den Unternehmensgewinnen. Und wenn man jetzt sich anschaut, was für nächstes Jahr erwartet wird, der Konsens erwartet Gewinnsteigerungen von knapp 12% für europäische Unternehmen, aggregiert gesehen. Aus meiner Sicht ist es vielleicht 'n Tick zu positiv.
Meine Modelle ergeben rund 8% Gewinnwachstum für europäische Unternehmen, hauptsächlich hervorgerufen dadurch, dass die Konjunktur allmählich in Europa wieder Fahrt gewinnt. Die Infrastrukturinvestments, die Verteidigungsausgaben, die werden hier allmählich die PS auf die Straße bringen. Also rund 8, vielleicht auch 10% Gewinnwachstum in Europa ist im nächsten Jahr durchaus realistisch zu erwarten und in dem Bereich wird sich auch das Kurspotenzial der europäischen Aktienmärkte bewegen.
Nikolaus Barth:
Du hast das ja auch zu Papier gebracht in einer kleinen ‚Kaffeepause‘. Wir werden das in den Shownotes verlinken, dass man das auch noch mal in aller Ruhe nachlesen kann.
Wenn ich jetzt aber das übersetze, was du für die Gewinne erwartest, dann heißt das doch eigentlich, dass du für die Aktienmärkte weiterhin konstruktiv oder gar optimistisch bleibst.
Christian Stocker:
Das ist richtig, ich erwarte mir zwar von der Bewertungsseite her keine zusätzlichen Potenziale für den Aktienmarkt, die Bewertungen sind angestiegen, wie wir vorhin schon thematisiert hatten, und bilden von dieser Seite her einen gewissen Deckel.
Das heißt, für das kommende Jahr sehe ich die Performance beschränkt auf die Unternehmensgewinnentwicklung, das heißt, in den USA sind wir, wie ich schon vorhin gesagt hab, im Bereich unserer Schätzungen 12% plus, Bereich Konsens 15% plus. In diesem Bereich wird sich die USA, der US-Aktienmarkt, bewegen. In Europa sind wir knapp zweistellig von der Performance her, also sehr gute Aussichten für den Aktienmarkt, sowohl in den USA als auch in Europa.
Wobei ich sagen muss, vergleicht man Europa das Potenzial mit den USA aus Euro-Anlegersicht, wir erwarten ja einen eher mal weiterhin schwächeren US-Dollar, dann wird das Potenzial ungefähr auf gleichem Niveau sich bewegen, also knapp zweistellig.
Nikolaus Barth:
Das heißt aber auch, Philipp, bei Kursrücksetzern, bei Kaufgelegenheiten, führt weiterhin kein Weg an Aktien vorbei.
Philip Gisdakis:
Also ich würde das mit einer kleinen Nuancierung so sehen. Was ist die Nuancierung? Hängt natürlich davon ab, was der Grund für den Rücksetzer ist. Wenn jetzt nicht sozusagen irgendetwas kommen würde, was unser zugrundeliegendes Bild einer wirtschaftlichen Beschleunigung in Europa und den USA, so wie der Christian es gerade skizziert hat, mit Gewinnwachstum grundlegend verändert. Ja, dann würden wir das so sehen.
Also das heißt, dass man Kaufgelegenheiten, kleine Rücksetzer zum Zukaufen nutzt. Wenn natürlich hier irgendwie ein schwarzer Schwan auftreten sollte, den wir so nicht gesehen haben, dann muss man sich halt anschauen, wie das Ganze entsprechend läuft. Aber in unserem Szenario 'ne vernünftige wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren, vernünftiges Gewinnwachstum, das ist im Prinzip unser Plan, Rücksetzer zum Zukauf zu nutzen und unsere Aktienquote sogar noch 'n bisschen stärker von der neutralen Quote nach oben anzuheben.
Nikolaus Barth:
Vielen Dank euch beiden. Für mich waren heute wieder jede Menge neue Erkenntnisse dabei. Ich hoffe, Ihnen geht es ähnlich. Das war das HVB Markt-Briefing.
Wir diskutierten über die aktuelle Verfassung der Märkte, der Volkswirtschaften,
über Chancen und Risiken mit Philipp Gisdakis und Christian Stocker. Wir freuen uns auf Ihr Feedback, auf Ihre Fragen, Kommentare und Impulse, gerne auch per E-Mail unter Markt-Briefing@unicredit.de. Und natürlich freuen wir uns auch, wenn Sie das HVB Markt-Briefing abonnieren.
Freuen Sie sich auf ein Wiederhören mit Philipp Gisdakis, Andreas Rees und Christian Stocker zu spannenden Themen und wir hören uns, wenn Sie mögen, auch wieder bei einer der nächsten Gelegenheiten.
Das HVB Markt-Briefing steht unter dem Motto 'Mitdenken für kluge Köpfe'.
Wir danken Ihnen heute fürs Zuhören und Mitdenken und es verabschieden sich Christian Stocker, Philipp Gisdakis und Nikolaus Barth.
Alles Gute, bis zum nächsten Mal.