Springen zu:
HVB Markt-Briefing vom 04. August 2025

Zoll-Deal: Hat Trump Brüssel über den Tisch gezogen? +++ Finanzmärkte: Was sind die Folgen für Aktien, Renten und Devisen?

Philip Gisdakis :

Es ist offensichtlich, dass es in diesem Deal eine deutliche Asymmetrie gibt und das ist ernüchternd. Das spiegelt aber eben das wirtschaftliche und das politische Gefälle wider, das derzeit herrscht. Die Frage ist ja, wer tatsächlich diese Zölle zahlt und ein Teil davon werden natürlich die Exporteure tragen, aber ein Großteil der zusätzlichen Kosten werden die amerikanischen Bürger, Konsumenten und Unternehmen zahlen.

Andreas Rees :

Die Energiekäufe der EU in den USA, die müssten sich verdrei- bis vervierfachen, also das ist schon sportlich. Und auch die Dimension, wie viel die Europäer in den USA investieren sollen, das ist schon gewaltig. Also das sind alles Dinge die uns auch im nächsten Jahr vielleicht auf die Füße fallen könnten. Nämlich dann, wenn Donald Trump eine Rechnung aufmacht und dann feststellt dass die Europäer zu wenig gekauft haben. Also da könnte uns noch einiges ins Haus stehen.

Titus Kroder :

Hallo und willkommen. Wir melden uns aus der eigentlich schon eingeläuteten Sommerpause mit einer Mark-Briefing-Extraausgabe zur Einigung zwischen der EU und den USA bei den Zöllen. Die besten Deals macht man oft auf dem Golfplatz, heißt es. Ob EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Clubhaus der Golfanlage Trump Turnberry vor ein paar Tagen den bestmöglichen Deal für Europa herausgeholt hat, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

Von Kapitulation der EU ist in der Presse zu lesen aber auch von, ja, nicht so toll, aber es ging halt auch nicht mehr für die Europäer. Wir schauen im HVB Markt-Briefing heute noch einmal ganz genau hin, was die Zolleinigung zwischen zwei der größten Teilnehmer am Welthandel eigentlich nun bedeutet.

Unter anderem interessiert uns, kann da nicht doch noch etwas nachkommen, trotz Einigung bei Trump? Weiß man eben nie so recht. Wir waren, wie gesagt, schon in der Sommerpause. Zu den aktuellen Entwicklungen haben wir aber doch noch Andreas Rees, Chefvolkswirt Deutschland der HVB, gewinnen können. Danke sehr für die Zeit.

Das Thema ist enorm wichtig und deine Einschätzung natürlich dringend benötigt. Hallo Andreas. Hallo Titus, grüß dich. Die Zölle treiben auch die Finanzmärkte um. Das kann jeder bestätigen der in den letzten sechs Monaten sein Portfolio beobachtet hat. Daher ist auch Philipp Gisdakis als Chefanlagestratege der HVB mit dabei.

Wir sind gespannt auch auf deine Einschätzung. Hallo erstmal auch an dich. Hallo Titus. Ein Handschlag in Schottland auf einem Golfplatz bei regnerischem Wetter,  besiegelt wurde da, was die EU-Wirtschaft und auch die deutsche Wirtschaft auf Jahre hinaus prägen wird. Zweistellige Zolltarife werden künftig auf nahezu alle Exporte in die USA fällig.

Umgekehrt werden Zölle auf viele US-Importe in die EU sogar ganz wegfallen. Ist das fair, fragen viele Menschen. Andreas, was ging dir spontan durch den Kopf? Was war deine erste Reaktion auf diesen Deal?

Andreas Rees :

Ja, Titus also mein erster Gedanke war schon gut, weil ein Handelskrieg vermieden worden ist. Wir haben einen Zollsatz von 15 Prozent, das war im Rahmen dessen was wir erwartet haben oder das war unsere Arbeitshypothese bei unseren Prognosen, da war ich dann natürlich auch ein bisschen erleichtert.

Aber als ich dann mehr gelesen habe dazu, da habe ich auch schlucken müssen. Da sind natürlich schon ein paar Kröten dabei, die wir jetzt schlucken müssen. Und es gibt vor allen Dingen auch noch ein paar Haken und Ösen. Also so ganz ausgestanden ist das alles auch noch nicht.

Titus Kroder :

Das Ganze ist ja zunächst nur eine Einigung, bis ein rechtssicheres Abkommen daraus geworden ist wird noch etwas Zeit vergehen. Im Raum stand jedoch vor dieser Einigung in Schottland die Drohung Trumps ab dem 1. August 30 Prozent Importzoll zu verlangen. Was sind denn für dich die Highlights dieses Deals, der nun gefunden wurde? Auf was sollte man zusammengefasst besonders achten?

Andreas Rees:

Wenn ich das nochmal ganz kurz zusammenfassen darf, damit wir alle im gemeinsamen Boot sitzen sozusagen. Wir haben also diese 15 Prozent US-Zoll. Im Gegenzug die Europäische Union wird bei amerikanischen Produkten bei rund anderthalb Prozent bleiben, also über alle Sektoren hinweg. Das wird sich nicht ändern und das ist natürlich

Andreas Rees:

Dann wird es US-Zölle geben von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium Wobei es hier schon unterschiedliche Interpretationen gibt zwischen den USA und der Europäischen Union, wie das dann genau aussehen wird.

Also der Streit um die Deutungshoheit unmittelbar nach dem Händeschütteln hat schon angefangen. Dann gibt es einen Bestandteil der nennt sich Zero for Zero. Das heißt, für einige wenige ausgewählte Produkte in einigen Sektoren zusammen, da sollen die Zölle sowohl auf der amerikanischen Seite als auch auf der europäischen Seite wirklich auf null reduziert werden.

Das sind wie gesagt wenige Produkte, aber im Bereich Pharmazie, Generika, Bereich  Landwirtschaft, Bereich Halbleiter wird es Zollreduzierungen geben. Und das Inkrafttreten ursprünglich war geplant am 1. August und jetzt Stand Freitagmorgen, es soll jetzt wohl doch erst am 7. August in Kraft treten. Ich würde es vermuten auch die Details, das wird noch ein bisschen auf sich warten lassen.

Und dann noch ein ganz wichtiger Bestandteil des Deals: die Europäische Union hat zusätzliche Verpflichtungen eingegangen, zumindest auf dem Papier. Das heißt, die Europäer sollen US-Energie kaufen, die Europäer sollen mehr in den USA investieren und die Europäer sollen auch amerikanische Rüstungsgüter kaufen.

Titus Kroder :

Philipp, die Märkte sind nach der ersten großen Zolloffensive aus dem Rosengarten des Weißen Hauses Anfang April ziemlich Achterbahn gefahren. Was liest du nun aktuell aus der Reaktion der Märkte auf den Schottland-Deal zwischen Trump und von der Leyen? Ist das Nervosität oder eher Gelassenheit?

Philip Gisdakis :

Also die Märkte haben keine sehr starke Reaktion auf diesen Deal gezeigt, zumindest nicht in der Breite. Es gibt schon einige Segmente wo es ein bisschen mehr gewackelt hat, sozusagen.

Wenn man sich das Intraday anschaut von dem Montag an dem das verkündet wurde, dann haben die Märkte zunächst erleichtert reagiert, dass eine dramatische Eskalation vermieden wurde. Das kann man sehen an dem DAX Future, der handelt ja schon vor sozusagen offizieller Börsenöffnung und der war in der vorbörslichen Zeit fast ein Prozent im Plus an diesem besagten Montag. Als dann aber klar wurde, dass das Ganze eher ernüchternd ist, weil es eben ein so asymmetrischer Deal ist, da ging es dann nach unten und der DAX hat dann an dem Tag anderthalb Prozent im Minus geschlossen.

Am nächsten Tag, am Dienstag ging es dann wieder ein bisschen nach oben. Also insgesamt eigentlich, wenn man auf Wochenbasis sieht, keine großartige Veränderung. Auch in den Aktienmärkten, die eben maßgeblich stark betroffen sind. Auf der Rentenseite die Anleihenrenditen haben auch nicht übermäßig stark reagiert.

Lediglich der Euro hat spürbar nachgegeben Der ist so von 1,17, 1,18 auf 1,14 gesunken und das ist auch durchaus verständlich, denn wie gesagt, einerseits dieser Deal spiegelt das Machtgefälle, auch das wirtschaftliche Gefälle zwischen Europa und USA wieder. Und dann sind natürlich Zölle zunächst einmal so, dass sie die Währung des Landes, das eben aus der Position der Stärke heraus zusätzliche Zölle einführt, ein bisschen bevorzugt. Also das heißt, die Reaktionen in der Breite waren nicht dramatisch. Im Detail gab es schon einige Entwicklungen im Wesentlichen beim Euro-Dollar.

O-Ton von Friedrich Merz :

„Das heißt jetzt im Klartext, die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen  durch diese Zölle. Aber ich bin mir ziemlich sicher, es wird nicht auf Deutschland allein und Europa allein begrenzt bleiben. Wir werden auch in Amerika die Folgen dieser Handelspolitik sehen.“

Titus Kroder :

Der hier gehörte Bundeskanzler Friedrich Merz war einer der Verteidiger der Strategie, nicht sofort im April gleich mit Gegenzöllen Vergeltung zu üben und Trump in die Schranken zu weisen. Nun sagt aber auch er, die Wirtschaft werde erheblichen Schaden nehmen. Andreas, wie groß sind denn nun die schädlichen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft? Was können wir da erwarten?

Andreas Rees :

Ja, es gibt, denke ich, große Unterschiede je nach Branche.

Titus Kroder :

Mhm.

Andreas Rees :

Die möglichen negativen Auswirkungen die hängen im Wesentlichen von drei Faktoren ab. Also ganz klar, die Höhe des Exportanteils in die USA, also wie stark sind die Unternehmen und die jeweilige Branche abhängig von den USA.

Dann haben wir den zweiten Faktor, das darf man auch nicht vergessen, das sind die Produktionsstätten von deutschen Unternehmen in den USA.  Wenn in den USA schon viel vor Ort produziert wird, dann können die Unternehmen die höheren US-Zölle zumindest teilweise umgehen und das belastet dann die Unternehmensgewinne deutlich weniger.

Und dann haben wir noch einen dritten Faktor das Überwälzen von den Zollerhöhungen auf die amerikanischen Verbraucher durch die Unternehmen. Und wenn das größtenteils gelingt, dann ist es eben auch wieder positiv oder weniger negativ für die Unternehmensgewinne. Vielleicht kann ich mal zwei konkrete Beispiele nennen für die deutsche Autoindustrie und die deutsche Pharmabranche.

Rund 25 Prozent der gesamten Exporte der Pharmaunternehmen gehen in die USA. Das ist wirklich sehr viel. Bei den Autos das sind es 11%. Gleichzeitig haben die deutschen Pharmaunternehmen nur geringe Produktionskapazitäten in den USA. Im Gegensatz zur deutschen Automobilindustrie, die ist nämlich sehr stark in den USA vor Ort vertreten, weil  man für den US-Markt direkt vor Ort produziert, aber auch deshalb, weil in den USA auch Autos für den Weltmarkt gebaut werden.

Also jetzt kann es natürlich schon sein, dass die Pharmaunternehmen viel von den Zollerhöhungen an den US-Konsumenten überwälzen können. Aber die Ausgangssituation, die ist doch deutlich schlechter als zum Beispiel in der Automobilindustrie.

Andreas Rees :

Da gibt es auch andere Beispiele: deutsche Chemieindustrie zum Beispiel, die werden vermutlich die höheren Zölle auch besser wegstecken können. Denn hier haben wir ein günstiges Verhältnis von Exporten im Vergleich zum Umsatz durch Produktion direkt in den USA. Also wenn ich das nochmal ganz kurz zusammenfassen darf aus der gesamtwirtschaftlichen Perspektive auch im Hinblick auf das, was der Bundeskanzler gesagt hat, also ich will es da nicht falsch verstanden werden, also toll finde ich das alles nicht, aber was uns helfen wird, ist, das darf man ja auch nicht vergessen.

Wir haben eine robuste US-Konjunktur, Zölle hin oder her. Das darf man nicht vergessen. Die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal mit 3% gewachsen und hat das leichte Minus im ersten Quartal mehr als wettgemacht. Also das wird uns helfen in Deutschland. Und ich habe auch ein bisschen die Hoffnung, dass uns der Investitionsbooster dann nach der Sommerpause helfen wird, also zumindest ein bisschen.

Titus Kroder :

Philipp, die von Andreas angesprochenen Branchen Auto und Pharma, sah man da in den letzten Tagen schon, dass die Märkte auf Chancen und Risiken in Zukunft reagiert haben? Auf welche Branchen sollte man denn da nun im Licht dieser Zolleinigung besonders achten?

Philip Gisdakis :

Die Autobranche war tatsächlich stark im Fokus diesbezüglich, sowohl von der Börsenbewertung her als auch bezüglich der fundamentalen Erwartungen.

Die Gewinnerwartungen für die europäische Automobilindustrie, die wurden erneut deutlich nach unten korrigiert, also in der Größenordnung ein Drittel der Erwartungen nach unten korrigiert. Wichtig ist es, dass das natürlich eine der Branchen ist, die Automobilbranche, die da direkt im Fokus ist.

Wichtig aber auch, dass da der Teufel im Detail steckt, denn insbesondere die deutschen Automobilhersteller produzieren ja eben aus den USA heraus auch für den Weltmarkt Produkte und das bedeutet, dass die eben nicht nur von den Zöllen in die USA hinein negativ betroffen sind, sondern sie wären auch von den Gegenmaßnahmen der Europäer negativ betroffen worden, wenn sie eben aus den USA für Europa oder für den Weltmarkt entsprechend produzieren und dann dorthin exportieren wollen.

Also das heißt, dass es diese Gegenzölle nicht gibt, ist schon mal ein gutes Zeichen. Was dann noch wichtig ist, ist, dass die Frage, wer denn jetzt die Kosten für diese Zölle trägt sehr stark davon abhängig ist, wie hoch die Nachfrageelastizität diesbezüglich ist. Und wenn es sich eben um Güter handelt für die es in den USA kein einfaches Substitut gibt, dann werden die VerbraucherInnen in den USA halt einfach einen Großteil der Zölle tragen müssen.

Und da es eben Zölle auf fast alle Länder gibt, nicht nur auf Europa, stehen die Chancen nicht so schlecht, dass eben ein Großteil dieser zusätzlichen Kosten von den amerikanischen Konsumenten getragen werden müssen. Denn Medikamente, die es in den USA derzeit noch nicht gibt, die müssen sie eben von woanders kaufen.

Ob jetzt das bedeutet, dass Produktionskapazitäten aufgebaut werden, das kann schon sein, aber das wird natürlich dauern. Und zuletzt noch muss man sagen, dass jetzt insbesondere für den europäischen Aktienmarkt die Bedeutung der Automobilbranche mittlerweile relativ gering ist. Etwa zwei Prozent des europäischen Aktienmarkts gemessen am Stocks Europe 600 macht die Automobilbranche aus.

Andersherum etwa ein Viertel der Marktkapitalisierung in Europa sind Finanzdienstleister, Banken Versicherungen, Financial Services, die von den Zöllen nicht betroffen sind und deren Aussichten eigentlich ziemlich gut sind.

Titus Kroder :

Andreas, die berühmte 1-Millionen-Dollar-Frage, die lautet nun, hat sich die EU eigentlich hier nicht über den Tisch ziehen lassen. Bisher ist man ja zumindest verbal breitbeinig gegenüber Trump aufgetreten, aber offenbar hat man in Brüssel dann doch bei sich zu wenige Trümpfe auf der Hand gesehen, um sich durchzusetzen.

Wie siehst du das? Unter dem Strich hat Trump von der Leyen an die Wand verhandelt und zu viele Vorteile liegen nun auf Seiten der USA bei diesem Abkommen?

Andreas Rees :

Ich denke, da hat jeder seinen eigenen Blick darauf. Es ist ja auch, ja, eine politische Frage, keine volkswirtschaftliche. Also ich denke mal, wir hatten keine andere Möglichkeit.

Mehr ging vermutlich nicht für die Europäer. Also Stichwort NATO-Beistandsklausel. Trump hat ja die ganze Klaviatur hoch und runter gespielt in den letzten Wochen. Also ich persönlich denke, was hätten wir jetzt da großartig anderes machen können, als klein beigeben. Viel spannender finde ich die Frage, welche Lehren die Europäer daraus ziehen.

Wie wird sich die Europäische Union gegenüber den USA in Zukunft positionieren? Europa befindet sich ja in einer Sandwich-Position. Wir kriegen Druck aus den USA und gleichzeitig Gegendruck aus China. Und wie schaffen wir es jetzt als Europäer? Dass wir unabhängiger und autonomer werden? Schaffen wir das politisch? Wie viel Geld kostet das? Also das finde ich sehr spannend.

Titus Kroder :

Philipp, wie sieht man diesen Deal unter Investoren, bei Leuten also, die du ja täglich sprichst? Hat hier Donald Trump, Ursula von der Leyen über den Tisch gezogen?

Philip Gisdakis :

Also es ist offensichtlich, dass es hier, wie der Andreas auch gesagt hat, eine deutliche Asymmetrie gibt und das ist natürlich ernüchternd. Das spiegelt aber eben das wirtschaftliche und das politische Gefälle wider, das derzeit herrscht.

Es war aber nicht alles schlecht daran, was letzte Woche verkündet wurde. Denn zu einem Thema, das für Europa tatsächlich eine existenzielle Bedeutung hat, scheint Donald Trump sich auf die Haltung Europas zuzubewegen, nämlich dem Ukraine-Krieg. Er hat deutliche Worte in Richtung Russland gefunden und hat sein Ultimatum an Russland deutlich verschärft.

Das ist das eine. Und das zweite, was es dazu zu sagen gibt, ist, dass die Zölle ja vermutlich für die US-Wirtschaft auch nicht gut sind. Die amerikanische Regierung argumentiert ja und tut das auch in der Öffentlichkeit, dt gibt es zum Beispiel ein Interview von Howard Lutnick diesbezüglich, der gesagt hat, dass die Europäer den Amerikanern jetzt 15% Zölle bezahlen.

Und das ist ja so nicht richtig. Denn die Frage ist ja, wer tatsächlich diese Zölle zahlt und ein Teil davon werden natürlich die Exporteure tragen, aber ein Großteil der zusätzlichen Kosten werden die amerikanischen Bürger, Konsumenten und Unternehmen tragen. Und wenn die US-Regierung ihren Bürgern und ihren Firmen eben diese zusätzlichen Kosten unbedingt auferlegen will, dann ist es für Europa auch schwierig, da etwas dagegen zu tun.

Und warum man dann darauf reagieren sollte, den eigenen Bürgern auch nochmal zusätzliche Kosten aufzubürden, ist dann eine andere Frage. Also von daher, ich würde dieses Bild tatsächlich nuanciert betrachten.

Titus Kroder :

Der große Zoll-Deal zwischen den USA und der EU, der enthält auch ein paar Versprechen. Ich lese mal vor, wie das Weiße Haus das eingerahmt hat.

Unter einer Trump-typischen Überschrift, Zitat: Weltgeschichte schreiben, steht da auf der Webseite, bis 2028 wird die EU für 750 Milliarden Dollar in den USA Energie einkaufen und 600 Milliarden Dollar wird die EU neu in den USA investieren, Zitat Ende. Man fragt sich da natürlich... wie soll denn das gehen?

Die EU hat ja kein direktes Mandat. Es werden ja, wenn die Unternehmen sein, die investieren oder Energie einkaufen Andreas, wie siehst du das?

Andreas Rees :

Mich hat das Ganze nicht an Weltgeschichte erinnert, sondern an Sojabohnen. Das Erste, woran ich gedacht habe, als ich das gelesen habe, da musste ich an den damaligen Kommissionspräsidenten Juncker denken. Der hat 2018 Trump versprochen, dass die Europäische Union mehr Sojabohnen aus den USA kaufen wird. Und dafür hatte Jean-Claude Juncker auch kein Mandat.

Also zur Ehrenrettung der aktuellen EU-Kommission muss man sagen, dass sie gleich nach dem Deal mit den USA vor einer Woche gesagt haben, dass sie kein rechtliches Mandat dafür haben, dass es sich um politische Ziele handelt und dass man auf die Zusammenarbeit mit den europäischen Unternehmen angewiesen ist.

Und fairerweise muss man auch dazu sagen, denke ich, es würde geopolitisch schon Sinn machen, zum Beispiel mehr LNG  aus den USA zu kaufen, denn einige EU-Staaten beziehen immer noch, zumindest teilweise, Gas aus Russland und Energie hat ja auch immer etwas mit einer politischen Entscheidung zu tun. Also ich habe mir deshalb auch die Frage gestellt, wie sich die EU-Staaten untereinander abstimmen wollen bei diesem Deal.

Gerade wenn es um Energie geht, wenn zum Beispiel Frankreich keinen Bedarf sieht aufgrund von billigem Atomstrom, dann müssen andere Länder wie Deutschland mehr LNG kaufen. Also da gibt es einige Fragezeichen. Auch beim Größenrahmen, die Energiekäufe der EU in den USA, die müssten sich verdrei- bis vervierfachen.

Also das ist schon sportlich. Und auch die Dimension, wie viel die Europäer in den USA investieren sollen, das ist schon gewaltig. Und natürlich investiert nicht die Europäische Kommission, natürlich sind es die Unternehmen. Also das sind alles Dinge, die uns auch im nächsten Jahr vielleicht auf die Füße fallen könnten, nämlich dann, wenn Donald Trump eine Rechnung aufmacht und dann feststellt, dass die Europäer zu wenig gekauft haben. Also da könnte uns noch einiges ins Haus stehen.

Titus Kroder :

Man fragt sich tatsächlich, was das denn nun mit diesem Deal? Trump ist ja berüchtigt für seine Manöver und unberechenbaren Schachzüge. Wenn es gerade in den Kram passt, dann macht er es auch. Ist diese Einigung in Schottland nun in deinen Augen final oder kommt da noch was nach? Werden vielleicht noch mehr Konzessionen aus Europa herausgepresst?

Andreas Rees :

Ich glaube, da kommt noch was nach. Wir kennen ja alle Donald Trump. Wir haben das ja schon unmittelbar nach dem Händeschütteln zwischen Frau von der Leyen und Donald Trump gesehen. Es gab gleich einen Kampf um die Deutungshoheit dieses Deals. Das ist ja eine mündliche Vereinbarung.

Und es gibt auch zwei konkrete Beispiele dafür. Da bin ich wieder bei der europäischen Pharmaindustrie und der Pharmaindustrie, Techsektor, dem amerikanischen  Techsektor. Denn es gibt eine offizielle Untersuchung der USA im Pharma-Bereich, wie man die Abhängigkeit aus dem Ausland reduzieren kann. Da könnten die USA einen Rückzieher machen und möglicherweise doch noch höhere Zölle einfordern, denn diese Untersuchung läuft nach wie vor weiter.

Beim Tech-Sektor haben die USA die EU immer wieder auf eine Deregulierung gedrängt. Diese Deregulierung ist bislang kein Bestandteil dieses Zolldeals, also es ist ein kleiner versteckter Sieg der Europäischen Union, aber Trump könnte da wieder mehr Druck machen, um mehr für die amerikanischen Tech-Unternehmen in Europa herauszuschlagen und das wäre auch meine Erwartung, dass das kommen wird.

Titus Kroder :

Ein kurzer Blick noch auf die volkswirtschaftlichen Folgen des Deals in den USA. Inflation und Zinsanstieg, das sagen viele Ökonomen voraus als Folge so hoher Zölle. Ihr habt es heute schon erwähnt. Wie wird die neue Lage nun die US-Notenbank FED deiner Meinung nach handhaben?

Andreas Rees :

Also vermutlich wird doch einiges beim amerikanischen Verbraucher landen. Wenn ich jetzt ganz ehrlich bin, dann muss ich zugeben, dass die Volkswerte einschließlich der amerikanischen Notenbank, der FED, im Moment ziemlich im Nebel herumstochern, wie stark genau die Inflation ansteigen wird und vor allen Dingen wann das passieren wird. Also nochmal ein kurzes Update hier.

Die Inflation in den USA, die lag zuletzt bei 2,75%. Und damit ist sie nicht da, wo die FED sie eigentlich gerne haben würde, nämlich so bei rund 2%. Die FED hat jetzt zuletzt den Leitzins unverändert gelassen bei 4,5 Prozent. Und der FED-Vorsitzende Powell, der hat gesagt, dass es vermutlich auch länger dauern wird, bis wir die vollen Effekte der Zollerhöhung auf die Preise sehen werden.

Gleichzeitig ist natürlich auch der politische Druck von Donald Trump auf die FED da und vor allem auf Powell, die Leitzinsen doch noch zu senken, stark zu senken und wenn ich mir das jetzt so angucke, die ganze Welt oder zumindest die Europäische Union hat sich dem Druck von Donald Trump gebeugt und Jerome Powell macht da sein Ding, also ich sage nur Last Man Standing, er bleibt bei seiner Linie, er hat den Leitzins nicht gesenkt, also Lange Rede, kurzer Sinn, wir denken, es wird was beim amerikanischen Verbraucher landen. Die Inflationsraten werden ansteigen und wir erwarten deshalb, dass die FED den Leitzins auch nur wenig senken wird.

Vielleicht in dem Jahr als kleines politisches Zugeständnis 25 Basispunkte, aber mehr vermutlich nicht. Also was es noch ganz wichtig ist aus Sicht von Investoren, aus Sicht der Finanzmärkte, im Kalender ganz rot ankreuzen, am 21. August, da ist das Treffen von Notenbankern in Jackson Hole, dieses berühmte Treffen. Und vielleicht kriegen wir da ein bisschen mehr Klarheit was dann passieren wird nach der Sommerpause.

Titus Kroder :

Philipp, das neue Zollregime ist nun quasi auch das neue Spielfeld für EU-Unternehmen und den transatlantischen Handel. Wenn es dabei bleibt, was bedeutet das denn mittelfristig für die einzelnen Asset-Klassen, also Aktien und Anleihen? Und auch die in der Finanzanlage ja nicht ganz unwichtigen Devisenkurse.

Philip Gisdakis :

Also zunächst einmal muss man ja feststellen, dass die zusätzliche Information, die wir jetzt durch diesen Deal bekommen haben, nicht übermäßig dramatisch ist. Sage ich jetzt mal, mit breiten flächendeckenden Zollsatz von 10 Prozent auf europäische Exporte in die USA, hat der Markt ja im Prinzip gerechnet.

Die Politik hat sich ja auch davor schon dahingehend geäußert, dass sie das akzeptieren würden. Jetzt sind es halt 15, plus noch ein paar zusätzliche Maßnahmen beziehungsweise Vereinbarungen und Absichtserklärungen.  Für die Märkte ist jetzt diese zusätzliche Information keine dramatische Veränderung.

Das heißt, es gilt nach wie vor auch für uns die Hypothese, die wir vorher schon haben. Und die Hypothese war, dass die amerikanische Wirtschaft erstaunlich robust ist und die europäische Wirtschaft vermutlich auch durch die Investitionstätigkeiten an Fahrt aufnehmen wird. Und das wären ganz positive Entwicklungen für die Aktienmärkte.

Was wir an Unsicherheit haben, ein ganz wesentlicher Faktor, wir wissen eben noch nicht genau, wie die Zölle und der Druck auf Inflation und auf Konsumenten und Unternehmen aussehen und in den USA jetzt wirken wird. Aus unserer Sicht wird das, was den Bereich angeht, sicherlich nichts Positives sein. Aber die amerikanische Wirtschaft ist eben, wie gesagt, erstaunlich robust, dass sie das möglicherweise wegstecken kann.

Das heißt, die Hypothese ist nach wie vor eine zyklische Erholung in Europa und der KI-Boom der seit geraumer Zeit schon die Märkte treibt, wird vermutlich weiterhin anhalten. Das bedeutet für die Aktienmärkte in der Breite eigentlich ein ganz positives Umfeld. Es gibt einige Branchen, einige Geschäftsmodelle, die werden stark gebeutelt sein. Da muss man ein bisschen vorsichtiger sein. Auch vorsichtiger sein muss man auf der Währungsseite insbesondere bezüglich des US-Dollars. Da hat der Euro ja wieder gegen den US-Dollar ein bisschen nachgegeben im Nachgang zu diesem Verhandlungsergebnis. Aber insgesamt sieht es schon danach aus, als würde der US-Dollar eher zur Schwäche neigen.

Und auf der Rentenseite spielt eine große Rolle, welche Wirkung die zusätzliche Verschuldung, die aufgrund der Steuersenkungen in den USA hinzukommen werden, wie das die Märkte entsprechend beeinflusst. Das sind die Faktoren über die wir uns jetzt im Moment gerade den Kopf zerbrechen. Der Zolldeal wirkt weniger auf die europäischen Märkte in der Breite, sondern eher auf spezifische Branchen und insbesondere die Branche, die am stärksten gebeutelt ist, die Automobilbranche, die hat mittlerweile ein relativ geringes Gewicht in der Breite.

Titus Kroder :

Zum Schluss wie immer noch der kurze Portfolio-Check. Hat sich durch den Golfplatz-Deal etwas verändert in eurer Ausrichtung und wie gewichtet geht ihr in den Rest des Jahres?

Philip Gisdakis :

Also wir haben unseren Fahrplan für das restliche Jahr nicht verändert. Der Fahrplan sagt, dass wir die Aktienquote, die wir im ersten Halbjahr ein bisschen runtergefahren haben, wieder hochfahren werden.

Wir bleiben nach wie vor im neutralen Bereich, gehen aber an das sogenannte obere Ende der Aktienquote der neutralen Spanne. Das tun wir sowohl in Europa als auch in den USA. In den USA sind wir besonders selektiv eben auf die Branchen die gut funktionieren und wo wir auch denken, dass die USA einen Unterschied ausmachen werden und das ist eben sehr stark die Technologiebranche.

Auf der Rentenseite habe ich es bereits gesagt, Dollarvorsichtig und US Treasuries untergewichten und sehr selektiv bei den Branchen sein. Wir sind in der Automobilbranche derzeit gar nicht investiert und haben ein deutliches Übergewicht bei den Themen Technologie und Gesundheit. Die Gesundheitsbranche, hat Andreas ja gesagt, die könnte stärker in den Fokus geraten.

Das müssen wir uns anschauen, weil da natürlich insbesondere europäische Unternehmen an sich eigentlich ganz gut dastehen, die aber jetzt durch diesen Zolldeal möglicherweise negative Impulse bekommen. Wie das wirken könnte, das müssen wir beobachten und dann entsprechende Schlüsse ziehen.

Titus Kroder :

Danke euch beiden. Der Staub legt sich noch rund um den historischen Zolldeal zwischen den USA und Europa. Noch ist nicht abschließend absehbar, wie dieser Deal zu bewerten ist. Das nehme ich aus euren Analysen mit. Wir behalten die Sache natürlich im Blick, auch in der Urlaubszeit. Das nächste planmäßige Marktbriefing gibt es am 8. September. Bleiben Sie uns gewogen, liken und abonnieren Sie uns auf den üblichen Podcast-Plattformen und vor allem wünschen wir Ihnen nun erneut einen ruhigen und erholsamen August. Andreas Rees, Philipp Gisdakis  und Titus Kroder sagen Tschüss und bis zum nächsten Mal.