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HVB Markt-Briefing – Audio vom 16.06.2025

Musk schlägt Alarm: Sind die USA noch kreditwürdig? +++ Gefährdet Trumps Migrationspolitik die US-Wirtschaft?

Elon Musk: Wir simply cannot sustain a country with a 2 trillion dollar deficit. Aber wir sparen über ein Trillionen Dollar auf Interesse. Wenn das weitergeht, wird das Land verkauft.

Titus Kroder: Hallo, seien Sie herzlich gegrüßt von uns vom Team HVB Markt-Briefing. Die hohen Schulden der Vereinigten Staaten von Amerika – um die dreht sich heute alles hier im Podcast. Der Mann, den Sie im Clip eingangs gehört haben, das war Elon Musk. Der Tech-Unternehmer warnt, wie gehört, inzwischen vor einem möglichen Staatsbankrott, wenn die USA weiter so hohe Verbindlichkeiten mit entsprechenden Zinslasten fahren. Die Anleihenmärkte reagieren inzwischen auch beim Thema US-Haushaltspolitik recht nervös. Wir gehen deshalb der Frage nach: Sind die USA denn überhaupt noch kreditwürdig?

Das Vertrauen der Finanzmärkte in den US-Staatshaushalt ist wichtig für die Stabilität des Weltfinanzsystems und auch für die Rolle der US-Wirtschaft als Zugpferd der Weltkonjunktur. Ist Amerika also wirklich bald pleite? HVB-Chefvolkswirt Andreas Rees gibt uns Antworten. Er hat die jüngsten Entwicklungen genau analysiert: den Verlust der Top-Bonität der USA bei einer weiteren Rating-Agentur, die aktuellen Steuerpläne von Donald Trump und auch, was Staatsschulden und Migration miteinander zu tun haben.

Titus Kroder: Hallo Andreas.

Andreas Rees: Hallo Titus, grüß dich.

Titus Kroder: Sind die USA noch kreditwürdig? Für eine Antwort muss man bei diesem Land ja immer gleich das Billionen- oder Trillionen-Dollar-Maßband auspacken, denn die Schulden sind auf den ersten Blick tatsächlich erschreckend hoch. Wie hoch denn genau? Auf welchem Schuldenberg sitzt der ehemalige Hedgefondsmanager Scott Bessant, der ja gerade Trumps Finanzminister ist?

Andreas Rees: Ja Titus, also aktuell, da ist schon ein bisschen was zusammengekommen. Da belaufen sich die ausstehenden Schulden auf rund 36.000 Milliarden US-Dollar. Das ist schon gewaltig. Aber das muss man natürlich immer auch in Relation zur Größe der US-Wirtschaft sehen. Und im Vergleich zum amerikanischen BIP, da beläuft sich die Staatsverschuldung aktuell auf rund 120 Prozent. Das ist auch sehr hoch und im historischen Vergleich sind diese 120 Prozent aber auch schon ein Wort. Denn sieht man mal von der Pandemie ab, da ist die Verschuldung sogar kurzfristig noch ein bisschen in die Höhe gesprungen. Aber im historischen Vergleich eben – das ist ein Verschuldungsgrad, den die USA zuletzt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erreicht hatten. Also das sind wirklich schon gewaltige Dimensionen.

Titus Kroder: Man fragt sich eigentlich, wie kann es sein, dass sich da so viele Schulden ansammeln in den Büchern? Die USA sind ja philosophisch betrachtet eher ein Land, wo der Staat traditionell als ‚Big Spender‘ zum Beispiel für ausgefeilte Sozial- oder Gesundheitssysteme ausfällt.

Warum steht die Staatskasse in Washington denn doch aktuell so tief in der Kreide?

Andreas Rees: Es ist jetzt natürlich verführerisch zu sagen, Donald Trump hat Schuld. Er hat ja während seiner ersten Amtszeit die Steuern gesenkt, und jetzt will er diese Steuersenkung verlängern und dem Staat entgehen dadurch Einnahmen. Und man könnte argumentieren, deshalb ist die staatliche Verschuldung so hoch. Aber das ist natürlich eine Argumentation... die ist schon unfair und die greift auch wirklich zu kurz. Denn da muss man schon ein bisschen weiter zurückgehen in der Geschichte. Anfang der 2000er Jahre, damals noch unter dem Präsidenten Bill Clinton, da hatten wir eine sehr niedrige Staatsverschuldung, da lagen wir bei rund 30 Prozent vom BIP. Und jetzt bitte nicht lachen, aber ich kann mich da wirklich an Diskussionen auch mit Finanzinvestoren erinnern, die damals Sorge hatten, dass sie bald keine langlaufenden Staatsanleihen mehr kaufen können, weil einfach keine mehr aufgelegt werden, in die man dann noch investieren könnte.

Aber dann hatten wir eben eine Abfolge von Schocks: 9-11 im Jahr 2001. Dann wurden die Militärausgaben drastisch nach oben gefahren, insbesondere auch dann aufgrund des Krieges in Afghanistan und im Irak. Dann hatten wir 2008 die Immobilienblase in den USA, die geplatzt ist. Und die Bereinigung dieser Krise – die hat eben auch viel öffentliches Geld gekostet. Also faktisch in den letzten 20 bis 25 Jahren, da wurde eigentlich nie richtig konsolidiert – auch nicht nach den Krisen, egal wer jetzt Präsident war. Ja, und jetzt sind wir eben bei diesen 120 Prozent vom BIP angekommen.

Titus Kroder: Aber die USA haben immer noch wenig Schwierigkeiten, wenn sie US Treasuries aller möglichen Laufzeiten emittieren wollen. Elon Musk hat, wie gehört, gewarnt, die USA würden auf ihre Staatsanleihen inzwischen rund eine Trillion Dollar an Zinsen pro Jahr bezahlen. Bloomberg hat das mal griffig auf zwei Millionen Dollar Zinslast pro Minute heruntergerechnet. Das würde bedeuten, am Ende unseres Podcasts werden die USA damit also weitere rund 50 Millionen Dollar Zinsen an alle möglichen Gläubiger überweisen müssen.

Wie viel ist denn deiner Meinung nach zu viel? Wie lange sind so hohe und immer noch wachsende Staatsschulden tragbar?

Andreas Rees: Es gibt leider oder zum Glück keinen kritischen Schwellenwert, ab der eine Verschuldung zu hoch ist. Das trifft auf die USA zu, aber auch auf andere Länder. Ich weiß, viele... die halten sich an bestimmten Schwellenwerten fest. Die glauben daran – gerade hier in Europa, also Stichwort zum Beispiel Maastricht-Kriterium mit 60 Prozent Staatsverschuldung des BIP. Oder es gab vor rund 15 Jahren auch eine berühmte Untersuchung von zwei Ökonomen, Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff. Die haben sich historische Staatspleiten angeschaut und sind zum Ergebnis gekommen, dass bei einem Schuldenstand von 90 Prozent des BIP, dass es dann kritisch werden könnte. Aber es gibt eben sehr große Unterschiede zwischen den Ländern. Also nein, es gibt keine magischen Werte, ab der eine Staatsverschuldung nicht mehr tragbar ist. Und ich verweise in dem Zusammenhang immer wieder gerne auf das Beispiel Japans. Japan hat eine sehr, sehr hohe Staatsverschuldung – und das schon seit vielen, vielen Jahren. Im letzten Jahr, da lagen wir deutlich über 200 Prozent vom BIP. Also man muss sich wirklich immer das Land anschauen – ganz genau anschauen. Die spezifischen Faktoren, die wirtschaftliche Stärke zum Beispiel eines Landes.

Und da haben die USA eben nach wie vor große Vorteile, wie ich finde: eine hohe Innovationskraft, ein flexibler Arbeitsmarkt. Sie haben niedrige Energiepreise. Also mit einer Verschuldungszahl alleine wie dem Schuldenstand – da kann man nicht einfach die USA oder auch andere Länder über einen Kamm scheren. Wenn das so wäre, dann bräuchten wir ja auch keine Ratingagenturen und keine Analysen. Aber so einfach ist die Welt halt nicht.

Titus Kroder: Viele US-Staatsanleihen werden ja von Investoren außerhalb der USA gehalten. Japan, China, Großbritannien waren... glaube ich zuletzt die größten Gläubiger. Das sind jeweils Regierungen, Staatsfonds, aber auch Pensionskassen dieser Länder, die gerne in US-Staatspapiere investieren.

Was aber, wenn das Vertrauen dieser Investoren plötzlich implodiert? Sind da die USA nicht erpressbar? Oder ist es egal, weil der Dollar als weltweite Leitwährung sowieso dafür sorgt, dass US-Staatsanleihen attraktiv bleiben?

Andreas Rees: Ui, Titus, also jetzt gibt es wirklich eine lange Antwort, weil es ist wirklich eine komplexe Fragestellung.

Und ich denke, also: Sind die USA erpressbar? Rettet sie der Dollar? Ich denke, es ist beides. Also der Dollar ist ein Riesenvorteil. Und gleichzeitig sind natürlich die Amerikaner ganz notwendigerweise, ganz zwingend auf ausländisches Kapital angewiesen. Und durch das, was Trump jetzt aktuell noch alles so vorhat, wird es noch komplexer – vielleicht sogar paradox. Also Stichwort Section 899. Ich erkläre das gleich nochmal ausführlicher.

Ich fange mal grundsätzlich an: Wenn man sich in einer Währung verschulden kann, die die globale Leitwährung ist – und das ist der US-Dollar, unangefochten nach wie vor mit weitem Abstand – dann ist das natürlich ein riesiger Vorteil. Die USA haben auch einen großen Kapitalmarkt. Da kann weder Europa noch Asien mithalten. Also auch das ist ein enormer Vorteil, dass man hier eben in einem großen Umfang Geld anlegen kann aus dem Ausland. Aber natürlich sind die USA gleichzeitig auch abhängig von ausländischen Investoren. Denn sie haben ja große Leistungsbilanzdefizite – und das schon über Jahrzehnte. Und dadurch sind sie auf ausländisches Kapital angewiesen, weil dieses Leistungsbilanzdefizit – das muss ja irgendwie finanziert werden. Und ein Teil eben dieses ausländischen Kapitals – das ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auch dazu verwendet worden, um amerikanische Staatsanleihen zu kaufen. Also rund 30 Prozent der US-Treasuries – die werden im Augenblick von Ausländern gehalten. Und du hast es schon gesagt: Ganz vorne mit dabei Japan und China, aber auch die Europäer mischen da gewaltig mit.

Es gibt deshalb eine beiderseitige Abhängigkeit – also so eine Art Symbiose, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Viele Länder haben Exportüberschüsse gegenüber USA und gleichzeitig haben sie dafür dann im Gegenzug amerikanische Assets, unter anderem auch Staatsanleihen gekauft. Also eigentlich kann der US-Präsident nicht einfach das machen, was er will. Und man hat das ja auch schon gesehen: Nach dem Liberation Day sind die Zinsen bei länger laufenden Staatsanleihen angestiegen, und Trump musste dann einen Teil der Zollerhöhung wieder rückgängig machen. Also die Anleihenmärkte in den USA – die sind schon so eine Art Korrektiv für Trump geworden, gerade wenn es um Zölle geht und Inflationsgefahren. Denn werden die Zölle zu aggressiv angehoben, dann steigen die Inflationserwartungen und die Zinssätze – gerade bei länger laufenden Staatsanleihen. Und da guckt, glaube ich, ein Donald Trump dann schon drauf. Er kommt ja aus der Immobilienbranche.

Aber jetzt paradoxerweise gleichzeitig zündelt die Trump-Administration auch gewaltig. Und ich finde, sie spielen ein gefährliches Spiel mit dem Vertrauen von internationalen Anlegern. Denn Trump hat eine Strafsteuer auf ausländisches Kapital angekündigt – das ist also diese sogenannte Section 899 aus dem ‚Big Beautiful Tax Bill‘, so wie Trump das nennt. Also, alle die ausländischen Investoren, die aus Ländern kommen, die aus Sicht der USA unfaire Steuerpraktiken gegenüber amerikanischen Unternehmen anwenden – die sollen laut Plan mit einer zusätzlichen Quellenbesteuerung belegt werden.  Und das würde dann auch europäische Finanzinvestoren treffen.

Dieser Plan von Trump – der sieht vor, dass Dividenden und Zinsen mit einer steigenden Steuer von 5 Prozentpunkten pro Jahr belastet werden. Also jedes Jahr würden 5 Prozentpunkte dazukommen, bis zu 20 Prozentpunkten insgesamt belastet – über dem normalen Satz oder über dem Satz aus dem Doppelbesteuerungsabkommen. Also das ist jetzt sicherlich keine vertrauensbildende Maßnahme gegenüber ausländischen Investoren. Damit verschreckt man sie. Und ich finde, die USA schießen da ein Eigentor. Aber... ob das dann am Ende wirklich so kommt, das weiß ich nicht. Vielleicht ist es auch Verhandlungsmasse in den Handelsgesprächen mit der Europäischen Union. Also da muss man erstmal abwarten – aber es ist sehr gefährlich.

Titus Kroder: Donald Trump will ja gleichwohl – und du hast es schon angedeutet – nach innen in die USA die Steuern erneut stark senken. Vor allem Unternehmen dürfte das betreffen – so lauten aktuell seine Pläne im Haushalt. Das passt von der Theorie her ja schon zu einem Republikaner. Aber die Märkte machen sich doch Sorgen, dass er damit eine echte Haushaltskrise der USA anzetteln könnte. Denn auf der Einnahmenseite muss es ja auch stimmen, wenn der Haushalt stabil stehen soll. Ist diese radikale Steuersenkungspolitik ökonomisch sinnvoll, wenn die Staatsschulden bereits zu hoch sind? Wie ist da deine Meinung?

Andreas Rees: Ja, Titus, ich weiß, das hört sich jetzt... denke ich für viele Hörer merkwürdig an. Ich will jetzt keine Lanze brechen für Donald Trump, aber ich glaube, in dem aktuellen Umfeld hat er eigentlich gar keine andere Wahl, die Steuern zu senken. Er spricht ja sehr gerne von dem ‚Big Beautiful Bill‘, aber faktisch sind das ja keine neuen Steuersenkungen, die die Wirtschaft wirklich netto entlasten. Sondern man muss wissen: Das sind größtenteils nur eine Verlängerung der Steuersenkung aus seiner ersten Amtszeit. Und wenn er das nicht machen würde, dann würde faktisch die Steuerlast ansteigen. Also insofern finde ich das alternativlos, auch wenn man sich natürlich über die Art der Steuersenkung streiten kann – insbesondere, wie sozial ausgewogen ist das Ganze. Aber neue steuerliche Entlastungen für den Privatsektor in den USA, in diesem ‚Big Beautiful Bill‘, die gibt es wirklich nur sehr wenige.

Und was man an der Stelle auch nicht vergessen darf – auch wenn wir im Moment nicht wissen, wo wir bei den Zöllen landen werden – die amerikanischen Zollsätze werden doch aller Voraussicht nach höher sein als vor Trump 2.0. Und das ist ja am Ende nichts anderes als eine Steuererhöhung – auch wenn Trump immer wieder behauptet, dass die Zölle von den ausländischen Unternehmen bezahlt werden. Aber faktisch, denke ich, am Ende wird ein Großteil bei den amerikanischen Konsumenten landen. Und deshalb: Trump senkt nicht nur die Steuern oder verlängert die Steuersenkungen, sondern gleichzeitig erhöht Trump faktisch auch die Steuern. Und deshalb wird es am Ende auch keine richtige Nettoentlastung geben durch diesen ‚Big Beautiful Bill‘.

Titus Kroder: Das Thema Migration steht vor auch hoch auf der politischen Agenda von Trump. Er plant Massenabschiebungen und versucht sie auch schon bereits umzusetzen – siehe die aktuellen Proteste gegen die Abschiebepolizei ICE in vielen US-Städten. Wie ist das denn ökonomisch zu beurteilen? Da geht es um Millionen von Menschen, die das Land verlassen könnten. Welche Auswirkungen hätte das auf die US-Wirtschaft und die Staatsverschuldung?

Andreas Rees: In den USA leben rund 11 Millionen Menschen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben. Das sind jetzt natürlich keine offiziellen Zahlen – die gibt es nicht – das sind zwangsläufig Schätzungen. Es wird vermutet, dass der größte Teil von diesen 11 Millionen Menschen auch arbeitet und im erwerbsfähigen Alter ist. Ich kann mich da an eine Umfrage erinnern aus dem letzten Jahr: Damals haben die Betreiber von Restaurants und Hotels in den USA gesagt, die Hälfte ihrer Mitarbeiter hat keinen legalen Aufenthaltsstatus. Also das ist schon ein sehr hoher Anteil. Auch in der Landwirtschaft dürfte der Anteil sehr hoch sein.

Wenn man sich das jetzt gesamtwirtschaftlich anschaut: Der amerikanische Arbeitsmarkt hat sich im Schnitt der letzten 12, 18 Monate weiter abgeschwächt – so im Rahmen der Erwartung. Also Abschwächung heißt, die Zahl der neu geschaffenen Stellen ist weiter gesunken, aber netto ist Beschäftigung weiter aufgebaut worden. Also, das Tempo hat nachgelassen. Der Arbeitsmarkt ist aber insgesamt in den USA immer noch sehr, sehr eng. Also das Risiko ist, dass sich die USA wirtschaftlich selber schwächen durch eine Begrenzung der Migration – gerade wenn es eine sehr starke Begrenzung sein sollte. Und das könnte dann zu Engpässen und auch zu höheren Preisen und Löhnen kommen – gerade Restaurants, was ich gesagt habe, Hotels oder auch bei der Produktion und bei der Ernte von Nahrungsmitteln.

Und natürlich ein anderes Thema: Hochqualifizierte aus dem Ausland – also Stichwort Harvard – da könnte es vielleicht zu einem Brain Drain kommen, gerade für die Tech-Industrie. Aber das ist jetzt im Moment schwer zu beurteilen, weil wir nicht wissen, wie das konkret weitergeht. Aber die Gefahr ist schon da, dass sich das längerfristig rechnen könnte – dass dann hochqualifizierte Arbeitskräfte auch fehlen. Also so weit sind wir noch nicht, aber ungefährlich ist es eben nicht, was Trump da machen will.

Titus Kroder: Mit dem Stichwort Harvard meinst du, dass Trump eben auch die amerikanischen Universitäten unter Druck setzt. Das waren jetzt die makroökonomischen Auswirkungen, über die du gesprochen hast.  Welche Auswirkungen siehst du denn konkret beim Thema Migration und Staatsverschuldung?

Andreas Rees: Der Vorteil – das darf man eben nicht vergessen – wir haben jetzt viel über eine sehr hohe Verschuldung geredet, aber wenn man mal längerfristig denkt, über die ganz, ganz langfristige Tragfähigkeit, da ist es natürlich sehr wichtig: Demografie. Und da spielt auch die Migration eine wichtige Rolle. Also die USA – die sind sicherlich ein relativ junges Land. Im Augenblick beträgt das Durchschnittsalter rund 39 Jahre. Und wenn man das mal vergleicht mit Deutschland: Wir haben ein durchschnittliches Alter von 47 Jahren. Also die USA sind da im Vorteil, gerade wenn es um die längerfristige Tragfähigkeit der Staatsverschuldung geht – gerade weil das Gesundheits- und Rentensystem weniger belastet wird als in anderen Ländern. Aber gleichzeitig muss man halt einfach auch sagen: Die USA sind kein demografisches Wunderland – also, absolut nicht.  In den USA altert die Gesellschaft auch. Und wenn jetzt die Einwanderung wirklich stark zurückgehen sollte, dann wird das zwangsläufig auch Auswirkungen haben. Denn typischerweise wandern gerade jüngere Menschen in die USA ein – also im Durchschnitt sind die Einwanderer rund 30 Jahre alt.

Aber diese negativen Effekte auf die Staatsverschuldung und die Tragfähigkeit – wie gesagt, die würden längerfristig eintreten. Das sind schleichende Effekte, wie das halt immer so der Fall ist bei der Demografie.

Titus Kroder: So, und jetzt geht es wieder zurück zu unserer pauschalen Eingangsfrage. Sind die USA... unter dem Strich, wenn man mal alle Aspekte berücksichtigt, über die wir jetzt hier gesprochen haben – sind die USA noch kreditwürdig? Wie fällt dein Urteil aus?

Andreas Rees: Ja, also Titus, Butter bei die Fische, wie man so sagt. Also für mich sind die USA immer noch kreditwürdig, weil sie ein wirtschaftlich starkes Land sind und eine wirklich hohe Innovationskraft haben. Aber gleichzeitig muss man natürlich sagen: Die USA sind auch ein politisch wirklich... gespaltenes Land mit einer Regierung – also die für mich jetzt wirklich ganz offensichtlich grundlegende Fehler macht in der Wirtschaftspolitik. Und ich finde, wir nähern uns langsam aber sicher einem Kipppunkt, wenn es um Glaubwürdigkeit und Kreditwürdigkeit geht. Schulden haben ja immer auch etwas mit Vertrauen zu tun. Ich muss dem Schuldner halt vertrauen können. Und vor allem, was ich auch sehr wichtig finde: Der Schuldner – es geht ja um mein Geld sozusagen, wenn ich ihm Geld gebe – der Schuldner sollte mich dann bitte auch nicht noch schädigen wollen. Aber das ist ja genau das, was passiert. Trump will die Zölle erhöhen. Er will Strafsteuern auf ausländisches Kapital einführen. Und vor allen Dingen: Er ist halt unberechenbar.

Also im Augenblick überwiegen für mich immer noch die wirtschaftlichen Vorteile, die die USA haben. Aber die Warnzeichen und die Risiken aus der Politik – also die sind wirklich unverkennbar. Und wenn man sich das mal anschaut: Viele Investoren haben darauf schon reagiert und haben etwas stärker auf Europa gesetzt. Und ich denke, das ist ein Trend – und der wird sich fortsetzen.

Titus Kroder: Der Chefvolkswirt der HVB war das mit seiner Analyse zu den Gefahren, die von den hohen Schulden der USA ausgehen könnten. Wir haben heute im Podcast so eine Art Schufa-Auskunft der USA erstellt – und auf der sieht der Zustand der Bonität der größten Volkswirtschaft der Erde schon ganz schön dramatisch aus. Die Kreditwürdigkeit wackelt. Investoren sind momentan jedenfalls verunsichert und etwas vorsichtiger geworden.

Und wie das wohl weitergeht – bei uns im Markt-Briefing erfahren Sie es. Die nächste Ausgabe gibt es ab 30. Juni zum Download. Sie finden uns auf den gängigen Podcast-Plattformen wie Spotify, Apple oder auch YouTube.

Ihre Hinweise und Kommentare richten Sie bitte gerne an markt-briefing@unicredit.de. Wir sagen Tschüss. Es grüßt ganz herzlich das Team Markt-Briefing – das sind und Titus Kroder und Andreas Rees. Machen Sie es gut.