Hans-Werner Feick ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von kobaltblau Management Consultants. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung in der IT-Managementberatung mit Fokus auf die managementorientierte Beurteilung von IT-strategischen Fragegestellungen sowie Transformations- und Restrukturierungsprojekten. Er sagt: Wir brauchen mehr IT-Experten in den Vorständen.
Vor der Gründung von kobaltblau Management Consultants war Hans-Werner Feick als bereichsverantwortlicher Geschäftsführer bei Kienbaum für die strategische IT-Beratung mit den Fokusbranchen Financial Services und TIME tätig. Er gilt als einer der führenden IT-Strategieberater in Deutschland.
H-W. F.: Wir haben im Grunde zwei sehr unterschiedliche Investitionsansätze. In Großunternehmen werden Investitionen in Digitalisierung häufig von der Idee getrieben, zum radikalen Wandler zu werden. Vor allem wenn Finanzinvestoren im Spiel sind, will das Management den Kapitaleignern beweisen, dass es sich dynamisch in eine neue Welt hineinbewegen und eine digitale Dividende vorlegen kann. Deshalb wird spontan viel Geld in die Hand genommen – mit nicht durchweg guten Ergebnissen. Ein Familienunternehmer geht meiner Erfahrung nach mit deutlich mehr Vorsicht und Weitblick an das Thema ran. Etwas mehr Überlegung tut dem Erfolg der Investitionen oft gut.
H-W. F.: Meine Erfahrung ist eine andere. Die Mitarbeiter können mit dem Vorhandenen meistens gut umgehen. Was jedoch in mittelständischen Firmen oft fehlt, ist jemand, der auf der Managementebene über die bestehende Systemlandschaft hinausdenkt. Mittelständler brauchen jemanden, der weiß, wohin sich der digitale Markt entwickelt. Jemanden, der weiß, wie man das Bestehende weiterentwickeln kann, wie man es miteinander verknüpfen und durchlässig machen kann. Das ist die entscheidende Hürde, die häufig vor adäquaten Investitionen in Digitalisierung steht. Es ist also eher die mittlere und obere Führungsebene, die ein Kompetenzproblem hat, wenn die nötigen Investitionen ausbleiben.
H-W. F.: Dafür gibt es kulturelle Gründe. In den USA wird von Managern auf allen Führungsebenen seit mehr als einem Jahrzehnt eine hohe IT-Affinität verlangt. Da ist Deutschland immer ein Stück hinterher gewesen. Noch immer wird in hiesigen Industrieunternehmen die Informationstechnologie oft als bloßer Dienstleister oder ausführendes Organ gesehen. Dabei ist Informationstechnologie ein ganz zentraler Produktionsfaktor geworden und wird nun sogar noch Teil des Produkts. Viele Mittelständler müssen eine ganz neue Welt ansteuern. Aber das muss vor allem auf den Führungsebenen noch anerkannt werden.
Immer mehr Unternehmen setzen auf den Ausbau der Digitalisierung. 2017 hatten bereits drei Viertel aller IT-Chefs den Auftrag, die Digitalisierung ihres Unternehmens voranzutreiben – deutlich mehr als in den Jahren zuvor.
*Die markierten Elemente wurden 2016 nicht abgefragt. - Quelle: CapGemini Deutschland (Hrsg.): Studie IT-Trends 2017, Überfordert Digitalisierung etablierte Unternehmensstrukturen? Befragung von 148 Entscheidungsträgern in Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Frage lautete: Was sind die drei wichtigsten Anforderungen Ihrer Geschäftsleitung an die IT im kommenden Jahr?
H-W. F.: Große Mittelständler haben schon länger Erfahrung mit Prozessautomatisierung. Solchen Unternehmen fällt es leichter, nun den nächsten Schritt zur Digitalisierung zu gehen. Vor allem bei kleineren Mittelständlern ist man aber noch nicht so weit. An den Schalthebeln sitzen dort oft Leute, die aus der Entwicklung und aus der Fertigung kommen, wo sie sich bestens auskennen. Aber bei der IT und deren Möglichkeiten stoßen sie an ihre Grenzen. Bei anderen Unternehmen trifft man auf IT-Chefs mit 30 oder 40 Jahren Erfahrung. Die kennen sich zwar bestens mit SAP aus, haben aber eine Systemlandschaft geschaffen, die starr und unflexibel ist. Aus so einer Landschaft heraus die letzten 30 Jahre infrage zu stellen und in Neues zu investieren, fällt ihnen schwer.
H-W. F.: Das sehe ich nicht so. Mittelständler haben in einer Ära dynamischer Technologieschübe oft gar keine andere Wahl. Nichts zu tun wäre ein viel größeres Risiko. Außerdem zahlen sich viele Investitionen in digitale Technologie auch rasch aus. Nehmen Sie einen unserer Klienten, einen klassischen Maschinenbauer in einem rückläufigen Markt. Er hatte seit jeher einen gedruckten Ersatzteile-Katalog, der die Machtbasis des Servicevertriebs war. Mehr und mehr Billiganbieter haben diesen Markt angegriffen. Die Firma hat schließlich in eine digitale Plattform investiert, die den Endkunden direkt mit dem Hersteller verknüpft. Die smart gewordenen Maschinen bestellen nun gewissermaßen selbst ihre Ersatzteile und den Vertrieb brauchen sie gar nicht mehr. Die Vertriebsmarge fiel weg und damit konnten die Teile wieder zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden. Das sind Investitionen in neue digitale Geschäftsmodelle, die echte finanzielle Resultate erzielen. Hier die richtigen Schritte zu gehen, ist eine Aufgabe des Managements.
H-W. F.: Denken Sie neu. Und machen Sie sich frei von alten Entscheidungsroutinen. Wenn Sie weiterhin nur den Vertrieb fragen, was die Kunden wollen, dann sagt der Ihnen immer: Wir brauchen billigere Produkte und wir brauchen mehr Produkte. Damit laufen Sie in eine Abwärtsspirale rein und haben irgendwann keine Marge mehr. Spätestens dann müssen Sie investieren – sofern Sie es dann noch können.
H-W. F.: Indem sie die Augen offen halten. Vieles gibt es ja schon längst, man muss es nur umsetzen. Was heute an digitalen Investitionen erwogen wird, wurde zum Beispiel schon vor Jahren erdacht, nur eben noch nicht umgesetzt. Im Tech-Boom der Jahre 2000 und 2001 wurde bereits die Idee der vorausschauenden Wartung erfunden. Was wir jetzt sehen, ist einfach nur eine konsequentere Umsetzung zu Kosten, die sich Unternehmen auf breiter Basis leisten können. Die Ideen für datengetriebene Geschäftsmodelle finden sich eigentlich immer im Unternehmen selbst. Sie müssen nur die Lehmschicht des mittleren Managements durchbrechen und die jungen, nach vorne denkenden Leute, die es in der Firma gibt, einfach mal direkt mit der Unternehmensspitze koppeln. Oft sind die Vorschläge schon da.
H-W. F.: Ja genau. Oft sehen Abteilungsleiter es als Angriff, wenn der Gruppenleiter oder der neue Azubi, der noch nicht mal ausgelernt hat, mit einer innovativen Idee daherkommt. Und dann wird die eben nicht gefördert.
H-W. F.: Das ist häufig so. Ältere Firmenlenker müssen bei der Digitalisierung in etwas investieren, zu dem sie selbst keinen wirklich griffigen Bezug haben. Wenn der Generationenwechsel in einem mittelständischen Unternehmen schon stattgefunden hat, dann geht es meistens schneller mit der Digitalisierung und den nötigen Investitionen.
H-W. F.: Ja, klar. Es war lange die Regel, ein oder zwei Prozent des Umsatzes pro Jahr in IT-Investitionen zu stecken. Aber jetzt muss sich ein Unternehmer plötzlich die Frage stellen, ob er mit einem IT-Budget von fünf oder gar zehn Prozent nicht besser führe.
H-W. F.: Unbedingt. Er sollte genauso wie der Produktionsvorstand und der Finanzvorstand einen Platz am Tisch haben. Noch ist es oft so, dass der Finanzvorstand als Herr über die Investitionsbudgets einen IT-Verantwortlichen unter sich hat, der ihm drei Folien mit in die Vorstandssitzung gibt. In der Ära der digitalen Transformation reicht das aber nicht mehr aus. Was viele Firmen stattdessen brauchen, ist ein eigener Chief Information Officer, der die Digitalisierung als Chefsache vorantreibt. Diese Praxis nimmt aber meiner Beobachtung nach deutlich zu und das ist richtig so.